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Austausch zwischen der Arbeitsgemeinschaft 78 und den beiden Landtagsabgeordneten Georg Fortmeier und Raphael Tigges, die Kreisdirektorin und Gastgeberin Susanne Koch einrahmen. Foto: Kreis Gütersloh, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Austausch zwischen AG 78 und Landtagsabgeordneten

Vor allem in der Ernährungsindustrie verdienen Werksvertragsarbeiter aus Südosteuropa im Kreis ihr Geld. Die einen bleiben kürzer, viele aber immer länger. Und mit ihnen ihre Familien. Das hat Folge in vielen Lebensbereichen. Welche Auswirkungen dies für die Jugendhilfe hat, darüber tauschten sich jetzt die Teilnehmer der Arbeitsgemeinschaft 78 mit den Landtagsabgeordneten Raphael Tigges (CDU) und Georg Fortmeier (SPD) aus.

Als »die soziale Frage unserer Zeit« hat jüngst Dr. Georg Robra, allgemeiner Vertreter in Rheda-Wiedenbrück, die Frage bezeichnet, was es bedeutet, dass immer mehr Menschen aus vergleichsweise armen und bildungsfernen Schichten im Kreis Arbeit suchen und finden. Wie sollen sie integriert werden? Wie schafft man es, dass ihre Kinder in der deutschen Gesellschaft ankommen? Um den beiden Landtagsabgeordneten die Situation zu verdeutlichen, hatte eine Arbeitsgruppe der AG 78 das Thema aufbereitet nach Lebensabschnitten. AG 78 steht übrigens für einen Paragraphen. Der Paragraph 78 SGB VIII besagt, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Arbeitsgemeinschaft mit den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe gründen sollen, um Angebote abzustimmen und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Während die Stadt Gütersloh eine eigene AG 78 hat, haben sich die Jugendämter des Kreises, aus Rheda-Wiedenbrück und Verl zusammengeschlossen, zusammen mit Trägern wie Caritas, Diakonie, AWO etc. Ruth Lohmeyer vom Jugendamt der Stadt Rheda-Wiedenbrück stellte die erste Lebensphase vor. Erkenntnisse gewinnen die Jugendämter u.a durch den Babybesuchsdienst und Befragungen in der Zielgruppe. Ergebnis: »Es sind sehr junge Mütter und Väter und die Schwangere wird häufig nicht durch eine Hebamme begleitet.« Das an sich ist ein Problem, aber es wird noch schwieriger. Durch die große Entfernung können diese jungen Eltern auch nicht auf die Erfahrung ihres familiären Umfelds bauen – das ist zuhause in Rumänien, Bulgarien oder sonstwo. Eine Begleitung von Schwangerschaft und junger Familie sei häufig nicht gegeben, Krankenversicherungen seien auch nicht immer vorhanden.

Und wenn die Kinder dann auf der Welt sind, müssen sie häufig die ersten Jahre in ihrer Heimat aufwachsen. Da beide jungen Eltern möglichst schnell wieder arbeiten wollen, wird das Kind zu den Großeltern in die Heimat geschickt. »Zur Grundschule kommen sie wieder zurück, mit dem entsprechenden Kulturschock«, so Lohmeyer. Und ohne Sprachkenntnisse.

Sollten Kinder hierbleiben, stellt das die Gesellschaft vor neue Probleme. Durch die Schichtarbeit bräuchten die Eltern Betreuungszeiten, die ihnen das System nicht bieten kann. Aus dem gleichen Grund stehen diese Eltern auch nicht für die Elternarbeit in der Kita zur Verfügung, von Sprachproblemen war da noch gar nicht die Rede. Am Ende eines intensiven Austauschs meinten beide Landtagsabgeordneten übereinstimmend: »Die Botschaft ist angekommen!« Die AG 78 erwartete keine Versprechungen, sondern dass Fortmeier und Tigges die Botschaft mit nach Düsseldorf nehmen, dass Handlungsbedarf besteht und auf die Regionen, in denen viele Arbeitskräfte aus Südosteuropa sind, auf die Gesellschaft neue Herausforderungen zukommen. Ein konkreter Ansatz: Der Spracherwerb dieser Personengruppe wird zusätzlich erschwert, weil es kaum sprachliche Angebote für diese Zielgruppe gibt, die kostenlos sind und sich mit den Arbeitszeiten vereinbaren lassen. Ulrike Boden, Kreisgeschäftsführerin der AWO: »Wir reden von zirka 7000 Familien allein im Kreis Gütersloh.«

Sind die Kinder schulpflichtig, kommen sie häufig zurück aus der Heimat von Opa und Oma, der erwähnte Kulturschock ist nicht das einzige Problem. »Viele Kinder leiden unter Bindungsstörungen«, so Boden. Sie hätten jahrelang weitestgehend auf ihre Eltern verzichten müssen. Die Wohnsituation entspreche zudem nicht dem, was man hierzulande von einem Schulkind erwartet: Kein eigenes Zimmer, kein Schreibtisch. Auch der Erziehungsstil – Stichwort körperliche Züchtigung – bringe Jugendämter und Träger in Nöte. Tigges verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass auf Landesebene die neue Kinderschutzkommission solche Punkte in den Blick nehmen will.
 
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