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»Der Rettungsschirm reicht nicht«

Die ersten Details aus dem Corona-Rettungsschirm von Bund und Land sind mittlerweile bekannt – und nachdem es zunächst nicht danach aussah, werden nun auch die Anbieter der freien Wohlfahrt mitgedacht. Bis zu 75 Prozent ihrer monatlichen Durchschnittseinnahmen sollen die Einrichtungen erhalten, wenn sie finanzielle Ausfälle wegen Corona beklagen müssen. »An sich ist das eine gute Idee, die wir begrüßen«, sagt dazu Björn Neßler, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände im Kreis Gütersloh sowie Vorstand der Diakonie Gütersloh. »Nur für kleinere oder wenig solvente soziale Anbieter wird dies nicht ausreichen. 75 Prozent Erstattung heißt eben auch, dass mindestens 25 Prozent der Einnahmen fehlen.«

Das Problem der Freien Wohlfahrtspflege ist die Gemeinnützigkeit ihrer Unternehmen. Denn als gemeinnützige Organisationen dürfen diese weder nennenswerte Rücklagen bilden noch Gewinne erwirtschaften. Überschüsse müssen sie zeitnah wieder in soziale Projekte investieren. Das heißt: Es gibt keine Ersparnisse, auf die sie zurückgreifen können, wenn Einnahmen wegbrechen. »Das wiederum bedeutet: Selbst wenn bis zu 75 Prozent der Ausfälle erstattet werden, müssen die Träger der freien Wohlfahrt mindestens 25 Prozent selbst tragen. Das stellt angesichts der niedrigen Gewinne schon für die großen Träger ein Problem dar«, erläutert Björn Neßler. »Für kleinere Träger oder insbesondere soziale Projekte wie Tafeln oder Suppenküchen ist das existenzbedrohend.«

Ein Wegbrechen sozialer Leistungen sei indes unbedingt zu vermeiden, betont deswegen auch Volker Brüggenjürgen, Vorstand des Caritasverbands für den Kreis Gütersloh und ebenfalls Mitglied der AG Wohlfahrt. »Für unsere Angebote gibt es keinen oder kaum Ersatz. Wenn diese wegfallen, stehen Tausende im Kreis Gütersloh ohne Hilfe da.« Allein die sechs Mitglieder der AG Wohlfahrt versorgen, begleiten, pflegen und betreuen im Kreis Gütersloh mit etwa 7.000 Mitarbeitenden rund 50.000 Menschen. Hinzu kommen viele kleinere Träger und Projekte außerhalb der Arbeitsgemeinschaft. Sie alle zusammen arbeiten nicht nur in der Altenpflege, sondern auch in der Kinderbetreuung, in den sozialen Hilfen, in der Flüchtlingsarbeit, in der Familienberatung. Mit diesen Diensten sehen sich die Träger als ein unverzichtbarer Baustein im sozialen Gefüge der Gesellschaft. Das zeige sich in der derzeitigen Krise umso mehr: Gelten sie doch als systemrelevant und als unverzichtbar zur Aufrechthaltung der Versorgung. Neben Caritas und der Diakonie Gütersloh gehören auch der AWO-Kreisverband Gütersloh, der DRK-Kreisverband Gütersloh, die Diakonie Halle sowie der Paritätische Kreis Gütersloh zur AGW.

Mit einem offenen Brief haben sich die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft am Dienstag dieser Woche auch an die Lokal- und Kreispolitik gewandt und um Unterstützung geworben. »Der Rettungsschirm ist in seiner jetzigen Form eine gute Sache für eine kurze Zeit«, erläutert Björn Neßler, den Hintergrund des Hilferufs. »Sollte er für einen längeren Zeitraum als die kommenden vier, vielleicht fünf Wochen greifen, stellt er jedoch das ganze Sozialwesen infrage – und führt höchstwahrscheinlich dazu, dass Organisationen, die fürs soziale Gefüge unverzichtbar sind, in die Insolvenz müssen.«

Mancherorts sind bereits ganze Geschäftsfelder weggebrochen. So mussten nicht nur kreisweit die Tagespflegen für pflegebedürftige Menschen schließen, der DRK-Kreisverband Gütersloh etwa musste sämtliche Erste-Hilfe-Kurse einstellen. »Dadurch haben wir erhebliche Einnahmeverluste«, erläutert Geschäftsführer Dennis Schwoch. »Und so wie es jetzt aussieht, greifen für uns in vielen Bereich auch nicht die Möglichkeiten des Kurzarbeitergeldes. Hier werden Hilfen benötigen!«

Dort, wo Kurzarbeit möglich ist, stellt sich indes ein anderes Problem. Denn schon jetzt muss die Wohlfahrt wie andere Branchen auch in manchen Bereichen über Kurzarbeit nachdenken. Dies würde gerade für die vielen Teilzeitkräfte einen schwerwiegenden Lohneinschnitt bedeuten. Auch Kündigungen müssen einige Träger mittlerweile mitdenken – nicht nur, weil Leistungen aufgrund der behördlichen Verordnungen eingestellt oder reduziert werden müssen. Immer mehr Kunden auch in den übrigen Bereichen stornieren ihre Leistungen aus Angst, sich anzustecken. Vor allem für kleine Dienste führt diese Entwicklung schnell zu einem Liquiditätsproblem – denn wie gesagt fehlen die Rücklagen.

»Kurzarbeit und Kündigungen wollen wir aber unbedingt vermeiden«, so Björn Neßler. »Denn diese würden bedeuten, dass uns Mitarbeitende fehlen, sobald die Pandemie auch unsere Kolleg*innen ‚erwischt‘, was zu hohen Krankenständen führen würde«, ergänzt Björn Neßler. »Und von hohen Krankenständen müssen wir ausgehen. Engpässe in der Versorgung hilf- und pflegebedürftiger Menschen im Kreis Gütersloh wären die Folge, die wir unbedingt verhindern wollen.«

Die AG Wohlfahrt

Die AG Wohlfahrt ist eine Arbeitsgemeinschaft von sechs gemeinnützigen Wohlfahrtsverbänden im Kreis Gütersloh. Dazu gehören: der AWO Kreisverband Gütersloh, der Caritasverband für den Kreis Gütersloh, der DRK Kreisverband Gütersloh, die Diakonie Gütersloh, die Diakonie Halle sowie der Paritätische Kreis Gütersloh.
 
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