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Virenbelastete Aerosole in der Raumluft: Bielefelder Studierende bauen CO₂-Ampel, Forschungsteam in Minden konzipiert effektives LüftenZoom Button

Das Labor für Wasserwirtschaft, Abfalltechnik und Umweltanalytik am Campus Minden führte Messungen zur CO₂-Konzentration in Klassenräumen an zwei Mindener Grundschulen durch. Foto: FH Bielefeld, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Virenbelastete Aerosole in der Raumluft: Bielefelder Studierende bauen CO₂-Ampel, Forschungsteam in Minden konzipiert effektives Lüften

Bielefeld/Minden (fhb). Regelmäßiges Lüften ist förderlich für die Gesundheit. Diese Erkenntnis ist nicht neu. In Corona-Zeiten allerdings hat das Thema noch einmal eine ganz neue Dimension gewonnen. Denn: Ungelüftete Räume, in denen sich Menschen längere Zeit aufhalten, weisen nicht nur eine erhöhte Konzentration von CO₂ auf – in ihnen kommen auch mehr Aerosole vor. Und das sind bekanntlich jene Tröpfchen, die das Coronavirus über die Atemluft in die Umwelt transportieren und so für Ansteckung sorgen können.

CO₂-Belastung Indikator für Virenlast

„Die CO₂-Konzentration in geschlossenen Räumen korrespondiert mit der Aerosol-Konzentration und ist damit Hauptindikator dafür, wie viren-gefährdet ein Raum ist und wann man das nächste Mal lüften sollte“, erklärt Professor Dr. Thomas Hesse von der Fachhochschule Bielefeld. Vor diesem Hintergrund entwarf der Elektronikexperte vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM) im Rahmen des modulübergreifenden Themenschwerpunkts „Mikrocontroller“ ein sowohl praxisbezogenes als auch überaus aktuelles Projekt. Ergebnis: Drei Studierende des Bachelorstudiengangs Ingenieurinformatik entwickelten eine CO₂-Ampel, die anzeigt, wann ein Raum Frischluftzufuhr braucht, um die Gefahr einer erhöhten Konzentration von potenziell mit Coronaviren kontaminierten Aerosolen zu mindern.

Ampel gibt klare Lüftungsempfehlung

Die Schaltung gibt zum einen auf einem Display die exakte CO₂-Konzentration, die relative Luftfeuchtigkeit sowie die Temperatur an. Zum anderen übersetzt sie die gemessene CO2-Konzentration in bekannte Ampelsignale: „Grün“ zeigt demnach eine Konzentration von unter 1.000 parts per million (ppm) an, gleichbedeutend mit einem gut gelüfteten Raum. „Gelb“ leuchtet die Ampel, wenn die Konzentration zwischen 1.000 und 2.000 ppm liegt, was so viel bedeutet wie: Es ist an der Zeit zu lüften! Springt die Ampel schließlich auf „rot“, ist ein Wert über 2.000 ppm erreicht, und der Raum muss dringend gelüftet werden. „Die von uns gewählten Grenzwerte richten sich nach den im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal aktualisierten Arbeitsschutzrichtlinien“, erläutert Prof. Hesse.

Herausfordernde Zusammenarbeit in Zeiten der Pandemie

Doch wie sollten die drei Studierenden die Ampel gemeinsam entwickeln können, wenn die Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie doch gerade darauf hinwirken sollen, dass Menschen sich möglichst wenig physisch begegnen? Hesse entwickelte drei klar voneinander getrennte Einzelprojekte, mit denen jeder Studierende den Löwenanteil der Arbeit von zu Hause aus erledigen konnte. Die notwendige Hardware – ein Mikrocontroller-Board sowie ein Mess-Chip samt Beschaltung und Display – konnten sie zu Semesterbeginn am Haupteingang der FH Bielefeld abholen.

Intelligente Arbeitsteilung und motivierende Fragestellung

Student Niklas Theis war für das Hauptprogramm sowie die Ansteuerung von Display und LED-Ampel zuständig. Gesteuert von einem Mikrocontroller, der das Herz der CO₂-Ampel darstellt, werden die Messdaten im Hauptprogramm zyklisch verarbeitet und aufbereitet, sodass die Ampel korrekte Anzeigen liefert. „Besonders motivierend war es, ein Projekt durchzuführen, dass Bezug zur aktuellen Situation hat“, findet Theis.
Kommilitone Marvin Thümmler erstellte die Treiber-Software für den Mess-Chip. Er fand es „interessant zu sehen, wie sich die CO₂-Konzentration im Laufe des Tages verändert“. Die digitale Schnittstelle zwischen Mikrocontroller und Mess-Chip schließlich entwickelte Tobias Kaps: „Durch die Zusammenführung der drei Einzelprojekte mussten wir uns engmaschig austauschen, denn jeder war Experte in seinem Bereich. Bei der Zusammenführung entstandene Fehler konnten wir deshalb nur in Teamarbeit lösen. Das war eine wichtige Erfahrung.“

Einsatz im FH-Labor geplant

„Die Projekte waren von Anfang an so konzipiert, dass sie erst auf der Zielgeraden von den drei Studierenden zusammengeführt werden mussten.“, berichtet Prof. Hesse. „Es ist klasse zu sehen, wie aus den Erkenntnissen der Einzelprojekte und der Zusammenführung jetzt ein Ergebnis mit Aktualitätsbezug und Perspektive entstanden ist!“ Eine erste Erweiterung der CO₂-Ampel wird im Rahmen einer neuen Projektarbeit im laufenden Sommersemester bearbeitet. Dann will der Professor mit Studierenden auch noch den exakten Luftdruck erfassen und in die Berechnungen einbeziehen – einen Wert, der im aktuellen Projekt lediglich auf der Grundlage der Angaben des Wetterdienstes berücksichtigt werden konnte.
Die Ampel soll zudem im Elektroniklabor eingesetzt werden, wenn der Präsenzbetrieb an der FH wieder allmählich startet, um dann neben den bestehenden Hygienekonzepten für zusätzlichen Gesundheitsschutz zu sorgen. Hesse: „Nach meiner Erfahrung motiviert es die Studierenden ungemein, wenn sie etwas entwickeln, das dann gleich sinnvoll in der Praxis eingesetzt wird.“

Campus Minden – Projekt an Grundschulen zu „gutem“ Lüften

Auch am Campus Minden der FH Bielefeld engagieren sich Hochschulangehörige für eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes in Zeiten der Pandemie. Hier lag der Fokus auf dem Erkenntnisgewinn für Lüftungskonzepte an Schulen. Im Zuge dessen nahmen Prof. Dr.-Ing. Johannes Weinig, Dipl.-Ing. Michael Koltermann sowie die Studierende Vanessa Schemberger vom Labor für Wasserwirtschaft, Abfalltechnik und Umweltanalytik Versuche an zwei Mindener Grundschulen vor, der Eine-Welt-Schule und in der Hohenstaufen Schule. Konkret ging es auch hier um die Messung der CO₂-Konzentration, diesmal allerdings ganz konkret in Klassenräumen, verwendet wurden handelsübliche Co₂-Messgeräte.

Lüften birgt auch Zielkonflikte

„Ziel der Messungen in war es, die Relevanz eines permanenten Luftwechsels zu verdeutlichen, aus dem sich dann wiederum bauliche Konsequenzen ableiten lassen, um eine möglichst geringe Virenlast in den Räumen zu erzielen“, erläutert Prof. Weinig. Allerdings entstehen hierbei Zielkonflikte: Ein permanenter Luftwechsel durch offene Fenster kann in Wintermonaten zu einer niedrigeren Raumlufttemperatur und einem höheren Energieaufwand führen. In Sommermonaten wiederum kann unter Umständen der Wärmeschutz nicht eingehalten werden. Außerdem findet ein Luftwechsel bei ähnlichen Temperaturen zwischen Außen- und Innenluft nur begrenzt statt.

Wie lüftet man richtig?

Während der Versuche wurden unterschiedliche Situationen betrachtet: alle Fenster geöffnet, alle Fenster geschlossen, gemeinsames Öffnen der Fenster und der Tür. Gemessen wurde in unterschiedlichen großen Räumen, die mit bis zu 20 Schülerinnen und Schülern, zwei Lehrkräften und zwei Messpersonen besetzt waren. Die Messungen bestätigten grundsätzlich die Erkenntnisse des ,,Expertenkreises Aerosole‘‘ des Baden‐Württembergischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung, und Kunst, wonach regelmäßiges Lüften während des Unterrichts die CO₂-Konzentration senkt – und damit auch die Virenlast. Gleichzeitig hat das Projektteam aber auch konstruktive und haustechnische Anpassungen als Erkenntnis aus den Versuchen mitgenommen.
„Alle Welt geht zurzeit davon aus, dass Lüften die beste Lösung ist, und die Kinder sitzen in Mänteln im Klassenraum. Das ist aber schlicht ineffizient und altmodisch“, kommentiert Prof. Weinig. „Eine automatische Lüftungsanlage erfüllt die Aufgabe völlig unaufgeregt und ohne krasse Schwankungen im Raumklima.“

Konkret genügt in der Regel ein kreisrundes Loch mit einem Gebläse oben in der Wand, um die Innenraumluft abzusaugen und mit einem Wärmetauscher die Wärme wieder zu nutzen für die nachströmende frische, kalte Luft. Weinig: „Diese Art des Lüftens, reguliert durch einen CO₂-Sensor, bringt immer die gewünschte CO₂-Konzentration. Das ist energetisch sehr günstig, weil hier kaum oder kein zusätzlicher Heizwärmebedarf entsteht. Und in Passivhäusern ist das heute längst Standard.“
 
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