Konjunktur im Handwerk stagniert – die Handwerkskammern in Deutschland
Die Handwerkskonjunktur im Kammerbezirk Münster ist im Laufe der Coronakrise in eine Stagnation gerutscht. Die Betriebe hegen nur verhalten optimistische Zukunftserwartungen. Die Branchenunterschiede sind riesig. Zu diesen Kernaussagen fasste Hans Hund, Präsident der Handwerkskammer Münster, die Ergebnisse der Frühjahrs-Konjunkturumfrage im heimischen Handwerk jetzt in einem Pressegespräch zusammen. 590 repräsentative Unternehmen aus dem Münsterland und der Emscher-Lippe-Region haben Auskunft zu ihrer Lage in den vergangenen sechs Monaten gegeben.
Die Betriebe mit »guter Geschäftslage« bilden mit 36 Prozent die größte Gruppe. Ihr Anteil hat sich aber seit Ausbruch der Coronakrise vor einem Jahr massiv reduziert. Er überwiegt nur noch knapp den Anteil der Betriebe mit »schlechten Geschäften« in Höhe von 32 Prozent. Dieser ist gegenüber der Zeit vor der Pandemie rapide angewachsen. Ein Drittel der Befragten, beurteilt die Geschäftslage als »befriedigend«.
Hoffnung auf Besserung bis Herbst
Die Betriebe hegen insgesamt die Erwartung, dass sich die Geschäftslage bis zum Herbst leicht bessert. Die meisten (59 Prozent) gehen allerdings von einer gleichbleibenden Situation aus. Der Geschäftslageindikator, der die aktuelle Situation und Prognose zusammenfasst, stürzte im Vergleich zum Boom vor Corona steil ab. Er liegt in diesem Frühjahr bei 104 Prozentpunkten. Das sind 28,6 Punkte weniger als vor einem Jahr.
Im vergangenen Halbjahr gab es deutliche Umsatzdefizite durch Auftragseinbrüche. Angesichts einer gesunkenen Kapazitätsauslastung auf 74,4 Prozent mussten sich die Betriebe im Saldo erstmals seit zehn Jahren von Beschäftigten trennen. Die Mehrheit (72 Prozent) konnte den Personalbestand aber halten; zehn Prozent stellten zusätzliche Kräfte ein. Die Unternehmen erwarten mit Auftragsreichweiten von 7,6 Wochen wieder mehr Einstellungen in den kommenden Monaten.
Zurückhaltende Investitionsbereitschaft
Steigende Kosten insbesondere für Material machten höhere Preis im Saldo unumgänglich, wenngleich die Mehrheit das Niveau hielt. Die Investitionen gingen leicht zurück. Bedenklich sei, so Hund, dass die Betriebe noch zurückhaltender bei ihrer Investitionsplanung für die nächsten Monate seien.
In beiden Regionen des Kammerbezirks Münster geht es dem Handwerk deutlich schlechter als vor dem Ausbruch von Corona, aber im Nördlichen Ruhrgebiet ist die Lage gravierender: Das Münsterland erwirtschaftete in den vergangenen Monaten immerhin ein kleines Wachstum. 38 Prozent der Betriebe bewerten ihre Geschäftslage als »gut"«. 29 Prozent geht es »schlecht«. Die Prognose lässt eine moderate Besserung erwarten. Der Geschäftslageindikator erreicht 106,8 Punkte.
Breite Konjunkturspanne in den Branchen
In der Emscher-Lippe-Region gab es einen Rückgang der Geschäftslage. Mit 39 Prozent bewertet der überwiegende Teil der Betriebe die Lage als »schlecht«. »Gut« geht es 30 Prozent. Die Betriebe hoffen auf eine minimale Besserung in den kommenden Monaten. Der Geschäftslageindikator fiel auf 95,8 Punkte. Beide Regionen erwarten nach dem Personalabbau in den vergangenen Monaten wieder einen Aufbau über den Sommer.
Anhand der Saldos aus Betrieben mit guter und Betrieben mit schlechter Geschäftslage zeigt sich eine weite Konjunkturspanne zwischen den Gewerbegruppen: Am besten geht es dem Ausbaugewerbe (Geschäftslagesaldo: 53 Prozentpunkte). Es ist die einzige Branche mit einem Auftragsplus.
Wenig Besserung im Kfz-Gewerbe
Das Bauhauptgewebe (Geschäftslagesaldo: 42 Prozentpunkte) verzeichnet die mit Abstand beste Konjunkturprognose. Es ist die einzige Gruppe mit einem Beschäftigungsaufbau. Im Gesundheitsgewerbe (Geschäftslagesaldo: acht Prozentpunkte) wurde am meisten investiert. Der Beschäftigungsstand konnte im Schnitt gehalten werden.
Bei den Anbietern für den gewerblichen Bedarf hat sich die Geschäftslage verschlechtert (Saldo: minus zehn Prozentpunkte). Die Branche musste Personal abbauen. Ursache ist eine weiter verschlechterte Auftragslage. Das Kraftfahrzeuggewerbe (Geschäftslagesaldo: minus 21 Prozentpunkte ) erwartet nur wenig Besserung in den kommenden Monaten. Die Verkaufspreise sanken bei kritischer Auftragslage kräftig. Umsätze und Beschäftigung waren rückläufig.
Corona ist Dreh- und Angelpunkt
In keiner anderen Branche musste die Beschäftigung dermaßen reduziert werden wie im Nahrungsmittelgewerbe (Geschäftslagesaldo: minus 24 Prozentpunkte). Die Erwartungen sind aber wieder zuversichtlicher. Im personenbezogenen Dienstleistungsgewerbe stürzte die Geschäftslage von allen Branchen am steilsten ab (Geschäftslagesaldo: minus 71 Prozentpunkte). Bei einer sehr schlechten Auftragslage gab es die größten Umsatzverluste aller Branchen.
Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Lage im Handwerk wie in der Gesamtwirtschaft und Gesellschaft sei die Coronakrise, betonte Hund. Corona zehre an der Liquidität der Betriebe durch weniger Umsatz, Produktionshindernisse und höhere Kosten. Das Virus erschwere die Gewinnung des dringend benötigten Berufsnachwuchses für eine Ausbildung. Das Handwerk setze auf eine höhere Impfdynamik, weiterhin konsequentes Testen und disziplinierte Hygienemaßnahmen.
Coronahilfen sind wichtiger Baustein
Viele von Infektionsschutzmaßnahmen betroffene Betriebe blieben auch in den nächsten Monaten dringend auf Coronahilfen angewiesen, erwartet Hund. Sie brauchten eine kontinuierliche, einfache und unbürokratische Unterstützung sowie eine schnelle Auszahlung. So könnten auch ihre Ausbildungs- und Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Der Kammerpräsident forderte die Politik auf, das Überleben und die Stärkung der Betriebe weiterhin zu fördern. Knappe Rohstoffe, Vorprodukte und Materialien, gebrochene Lieferketten, verlängerte Lieferzeiten und steigende Einkaufspreise seien in weiten Teilen des Handwerks zum Problem geworden. Das führe bei mehreren Unternehmen trotz voller Auftragsbücher zu Kurzarbeit und gefährde die wirtschaftliche Erholung. Es müsse alles daran gesetzt werden, Knappheiten zu überwinden und die Beschaffung von Material wieder zu ermöglichen. Darüber hinaus warnte Hund vor Gedankenspielen einer Erhöhung von Steuern und Sozialabgaben. Er forderte zudem mehr Bürokratieabbau durch Digitalisierung, eine bessere Innenstadtförderung für einen vielfältigen Einzelhandel und Kleingewerbe sowie ein erweitertes Angebot an Gewerbeflächen.