100. Standort des Bienenautomaten-Projekts – auch etwas für Gütersloh?
»Ich bin ein Berliner!« – diesen berühmten Satz kann nun auch der 100. Bienenautomat von sich geben, denn er hängt in der deutschen Hauptstadt, genauer gesagt in der Heinrich-Böll-Bibliothek im Bezirk Pankow.
»Wir haben im Rahmen eines Austausch zum Thema ›Agenda 2030/Charta der Vielfalt‹ mit den Kolleginnen und Kollegen der Stadtbibliothek Bremen von diesem tollen Projekt erfahren und können nun Dank der Förderung durch das Umwelt- und Naturschutzamt Pankow ebenfalls vor Ort die Berliner Bienen unterstützen«, so Judith Hauschulz von der Bezirkszentralbibliothek in Pankow und ergänzt: »Das gesamte Team kann es kaum erwarten, diesen ab dieser Woche im Rahmen der Wiederöffnung den kleinen und großen Besucherinnen und Besuchern zu präsentieren.«
Dabei war es bis zum Ende spannend, welcher der 100. Standort bundesweit wird, denn laut Aussage von Sebastian Everding sind aktuell fast 50 weitere Automaten noch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. »Leider schaffen die Betreiberinnen und Betreiber die Montage unterschiedlich schnell, während einige bereits am Folgetag hängen, liegt der Negativrekord bei einem Automaten, der bereits seit über einem Jahr ohne erfolgte Montage vor Ort ist«, so der Erfinder aus Dortmund. Noch in derselben Woche wurden weitere Bienenautomaten in Bad Füssing (Bayern), Pirmasens (Rheinland-Pfalz) und Lüdinghausen (Nordrhein-Westfalen) in Betrieb genommen.
Die Idee, einen alten Kaugummiautomaten zu einem Projekt zur Rettung von Wild- und Honigbienen umzubauen, kam Sebastian Everding und seiner Lebensgefährtin bereits im Sommer 2019 im heimischen Garten: »Wir achten in unserem Garten sehr auf eine naturnahe Gestaltung mit insektenfreundlichen Pflanzen und geeigneten Nisthilfen. Deshalb dachten wir uns: warum eine Hilfe für Bienen nicht vielen Menschen leicht zugänglich machen?«. Everding hatte zuvor mit einem Witzeautomaten bereits erste Erfahrungen im Umgang mit der Technik gemacht, die viele wohl noch aus ihrer Kindheit kennen. Mit dem entsprechenden Knowhow organisierte der 38-jährige Dortmunder Handwerksmeister einen entsprechenden Automaten und arbeitete ihn optisch komplett um. Nun fehlte die geeignete Füllung. »Ich wusste, dass man dort viel falsch machen kann und manche Mischungen zwar optisch schön aussehen, unter Umständen aber von heimischen Bienenarten gar nicht angenommen werden«, erklärt der Bienenfreund Everding.
Deshalb recherchierte er und stieß auf das deutschlandweit aktive Bildungsprojekt der »Bienenretter«. Mit seiner Anfrage lief Everding bei der Initiative aus Frankfurt offene Türen ein: »Wir fanden diese Idee vom ersten Moment an sympathisch, da sie viele Menschen auf spielerische Art für den Schutz der Wildbienen begeistert. Die Bedeutung der Wildbienen als Bestäuber wurde lange unterschätzt. Viele fliegen schon, wenn es den Honigbienen noch zu kalt oder zu nass ist, und teilweise bestäuben sie Pflanzen, die die Honigbienen aufgrund ihres Körperbaus nicht bestäuben können oder links liegen lassen«, so der Bienenretter-Gründer Christian Bourgeois.
Im Herbst 2019 wurde der erste von mittlerweile mehr als 100 Automaten in Dortmund montiert. Was dann passierte, hatten weder der Erfinder noch die Bienenretter erwartet: Nachfragen aus allen Teilen der Republik erreichten das Team. Sie alle wollten ebenfalls einen Bienenautomaten erwerben. »Es war dabei eine wirklich bunte Mischung, von Schulen bis zu Imkern, Firmen, Vereinen und Privatpersonen«, erzählt Everding erfreut. So wurde der Online-Shop der Bienenretter um gefüllte Saatgut-Kapseln erweitert, die in die Automaten kommen, und Everding begann in den heimischen vier Wänden mit der Aufarbeitung weiterer Automaten.
Die Bienenautomaten im rapsgelben Gehäuse bestehen dabei grundsätzlich aus zwei Teilen: Der Automat mit 50 Cent Münzeinwurf gibt eine Kapsel mitsamt einer regionalen ein-/ und zweijährigen Samenmischung aus, die andere Seite eine mehrjährige Blumen-Mischung. »Ab September gibt es auch Kapseln mit Knollen des Frühlingskrokus. Über Krokusse als Frühblüher freuen sich vor allem Hummeln, die sonst im Frühling nur sehr wenig Nahrung finden«, ergänzt Bienenretter Christian Bourgeois.
Die Teile für seine Automaten organisiert Everding inzwischen aus ganz Deutschland über Kleinanzeigenportale und befreundete Automatenaufsteller. »Ich setze sowohl bei Automaten als auch bei den Gehäusen auf Gebrauchtteile, diese haben zum einen den ganz besonderen Charme vergangener Zeiten und zum anderen würden diese sonst häufig verschrottet werden«, erklärt der Dortmunder die Philosophie seiner kleinen Automaten-Manufaktur. »In jedem Automaten stecken viele Stunden Handarbeit«, teilt Everding mit.
Ein Aspekt liegt dem Team dabei besonders am Herzen: Die Nachhaltigkeit. Aus technischen Gründen ist es aktuell leider nicht möglich, Alternativen zu den Kunststoff-Kapseln zu nutzen. Denn die Technik der 70er-Jahre funktioniert nur mit einer festen Hülle. Aus diesem Grund hängt neben jedem der Automaten eine gelbe Sammelbox in der die leeren Kapseln zurückgegeben werden können, um im Anschluss wieder neu befüllt zu werden. Das eigene »Mehrweg-System« funktioniert dabei auch nach über einem Jahr hervorragend. Gerade die jungen Bienenfreunde legen größten Wert darauf, keinen Müll zu produzieren und die Kapseln rechtzeitig zurück zu bringen. Seit dem Herbst 2020 werden alle Saatgutkapseln von einer integrativen Werkstatt im Ruhrgebiet von Menschen mit Behinderung befüllt.
Die Website www.bienenautomat.de informiert über alle Standorte bundesweit und auf www.bienenretter.com gibt es detaillierte Informationen zu den verwendeten Samenmischungen. Aktuelle Informationen findet man auf dem Instagram-Profil von Sebastian Everding …