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Durch die Akademisierung der Hebammen-Ausbildung ist eine gut dreimonatige Praxisphase außerhalb einer Klinik nun verbindlicher Bestandteil des Studiums der Hebammenwissenschaft. Foto: Annika Schwerdt, FH Bielefeld, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

FH Bielefeld knüpft Netzwerk mit freiberuflichen Hebammen

Bielefeld (fhb). Schwangerschaft und Wochenbett, Stillzeit und Rückbildung – Themen von freiberuflichen Hebammen sind in der Regel etwas anders gelagert als die im Kreißsaal, denn in Deutschland sind Hausgeburten, anders als im europäischen Ausland, immer noch eine Seltenheit. Bisher war der außerklinische Bereich im praktischen Teil der Hebammenausbildung nicht verpflichtend vorgesehen. Das ändert sich jetzt mit der Akademisierung der Ausbildung: Eine gut dreimonatige Praxisphase außerhalb der Klinik ist nun verbindlicher Bestandteil des Studiums der Hebammenwissenschaft. An der Fachhochschule (FH) Bielefeld bereitet man sich intensiv darauf vor, die Netzwerkbildung mit freiberuflichen Hebammen in der Region läuft auf Hochtouren.

Freiberufliche Hebammen in die Ausbildung integriert

Im Wintersemester starten die ersten Studierenden im praxisintegrierten Bachelor-Studiengang Angewandte Hebammenwissenschaft an der FH Bielefeld. Der theoretische und fachpraktische Unterricht wird dann von den bisher zuständigen Hebammenschulen an die Hochschule verlagert, der praktische Teil des Studiums verbleibt in den kooperierenden Kliniken und wird zusätzlich auch bei freiberuflichen Hebammen absolviert.

Hebammen übernehmen die Verantwortung für die Geburt

Mit der vom Gesetzgeber beschlossenen Akademisierung wird nun auch in Deutschland europäisches Recht umgesetzt und die Ausbildung europäischen Standards angeglichen. Pia Bakker freut sich noch aus anderen Gründen darüber: »Hebammen sind laut Gesetz verantwortlich für Schwangerschaft, Wochenbett und Stillzeit. Nur sie betreuen eine normale Geburt und ein normales Wochenbett. Das heißt, dabei sind sie nicht weisungsgebunden an eine Ärztin oder einen Arzt. Für diese verantwortungsvolle Position ist eine entsprechende akademische Ausbildung notwendig.« Bakker ist selbst gelernte Hebamme und Diplom-Berufspädagogin. Als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Fachbereich Gesundheit der FH Bielefeld gestaltet sie zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen den neuen Studiengang und baut das Netzwerk mit Kooperationspartnern und mit Freiberuflerinnen auf.

Bestärkende Wirkung der Schwangerschaftsvorsorge

Dazu war sie erst kürzlich zum Informationsaustausch in Hiddenhausen in der Hebammenpraxis »Rundherum«: Es klingelt, Jenny Kampe kommt zur Schwangerschaftsvorsorge. Ihre Hebamme Melanie Schröder erwartet sie schon, die beiden Frauen wirken vertraut, sie plaudern und scherzen. Schließlich macht es sich die Schwangere auf einer breiten Polsterliege bequem und enthüllt ihren mächtigen Bauch. Vorsichtig tastet Melanie Schröder ihn mit gezielten Handgriffen ab, hört die Herztöne an, lauscht und lächelt. »Das Baby ist putzmunter, es hat sich schon in Position gebracht.« Lange wird es nicht mehr dauern, Jenny Kampe ist bereits in der 39. Woche. Und ganz entspannt: »Meine Hebamme hilft mir enorm in dieser Zeit, mit ihr kann ich über alles reden, sie bestärkt mich und gibt mir das nötige Vertrauen in meinen Körper.«

Eine Lücke in der Ausbildung wird geschlossen

Pia Bakker findet es richtig und wichtig, dass die außerklinische Praxis jetzt Teil des Studiums wird: »Damit schließen wir eine Lücke, die es in der bisherigen schulischen Ausbildung gab. Theoretische Kenntnisse konnten fast nur im klinischen Umfeld erprobt werden, was auch den Einstieg in die Freiberuflichkeit erschwert hat. Denn die Unterschiede zwischen den Aufgaben der Hebammen in den jeweiligen Bereichen sind groß, und die Absolventinnen mussten bislang manches noch nach der Ausbildung erlernen.«

Studentinnen profitieren von der Expertise der Freiberuflichen

Jetzt findet sich das gesamte Spektrum der Hebammenarbeit auch in der Praxisphase des Studiums wieder – von der Schwangerschaftsvorsorge über die Geburt bis zu Wochenbettbetreuung und Stillzeit. Pia Bakker: »Eine Schwangerschaft ist eine intensive Zeit, eine Zeit des Umbruchs für die Frauen und ihre Familien. Hebammen begleiten sie dabei sehr eng und können bei Schwierigkeiten sofort entsprechend reagieren. Unsere Studierenden profitieren von der Expertise und Erfahrung der Freiberuflerinnen und sind so nach ihrem Abschluss hervorragend auf die Aufgaben in diesem Bereich vorbereitet. Aber auch die Hebammen profitieren: Sie sind eingebunden in das Studium, können sich in die praktische Ausbildung einbringen und ziehen sich damit künftig ihren eigenen Nachwuchs heran.«

Weniger klinischer Blick auf Schwangerschaft und Geburt

Das sieht auch Nicole Kämpfer so. Sie betreibt die Hebammenpraxis »Rundherum« und war sofort bereit zur Kooperation mit der FH Bielefeld: »Ich freue mich darauf, Studierenden alle Aspekte unserer Arbeit zu vermitteln. Dazu gehört auch ein anderer, weniger klinisch oder gar pathologisch geprägter Blick auf Schwangerschaft und Geburt. Im Normalfall ist es ja ein ganz natürlicher Vorgang und keine Krankheit.« Wie wichtig eine strukturierte Anleitung beim Lernen ist, hat die Hebamme in der eigenen Ausbildung erfahren: »Es reicht nicht, wenn die angehenden Hebammen einfach mitlaufen und zugucken. Es braucht auch eine pädagogisch fundierte Vermittlung, um das Gesehene und Erlebte richtig verstehen und einordnen zu können.«

Freiberufliche Hebammen bilden sich weiter

Damit Kämpfer das gelingt, wenn sie künftig mit FH-Studierenden arbeitet, absolviert sie eine pädagogische Weiterbildung zur Praxisanleitung. Im Bielefelder Studiengang wie in jedem anderen Hebammenstudium ist diese qualifizierte Anleitung im Praxisteil vorgeschrieben, und mit 25 Prozent hat sie einen besonders hohen Anteil. Zum Vergleich: In der Pflege-Ausbildung müssen nur zehn Prozent der Praxis-Zeit pädagogisch angeleitet werden.

Betreuung im Wochenbett und Nachsorge enorm wichtig

Szenenwechsel: Die Betreuung durch ihre Hebamme möchte Linda Weichert nicht missen, vor allem nicht nach der Geburt. Sie ist mit ihrem dreimonatigen Sohn in die Hiddenhauser Hebammenpraxis gekommen. Fröhlich glucksend liegt der Säugling unter dem Spielbogen, während seine Mama erzählt. »Die Geburt verlief schwieriger und ganz anders als erwartet. Erst mit meiner Hebamme konnte ich über das Erlebte sprechen und das alles verarbeiten.« Inzwischen sind ihr Sohn und sie ein eingespieltes Team. Linda Weichert: »Meine Hebamme hat mich in meinem Umgang mit ihm enorm bestärkt und mir geholfen, die vielen Tipps und Ratschläge vor allem der älteren Generation richtig einzuordnen.«

Aufwertung des Berufs als langfristiges Ziel

Alle Frauen, die an diesem Tag in der Hebammenpraxis »Rundherum« zusammentreffen, verknüpfen mit der Akademisierung der Hebammenausbildung die Hoffnung auf eine Aufwertung des Berufs. Diese sollte langfristig zu besseren Arbeitsbedingungen und besserer Bezahlung führen und könnte damit auch dem gegenwärtigen Hebammenmangel entgegenwirken. Pia Bakker: »Die Akademisierung hebt nicht nur die Lehre auf wissenschaftliches Niveau, sie eröffnet den Absolventinnen und Absolventen auch weitere Karrierewege in Lehre und Forschung. Und sie trägt so zur wissenschaftlichen Fundierung der Hebammenarbeit bei. Das stärkt unsere Position in den medizinischen Berufsgruppen und auch gegenüber Entscheidungsträgern wie den Krankenkassen, wenn es etwa um die Bewertung und Entlohnung bestimmter Tätigkeiten geht.«

Die Anerkennung und Wertschätzung der Frauen und Familien haben Hebammen dabei längst sicher. Linda Weichert bringt es auf den Punkt: »Ohne Hebamme geht es nicht!«
 
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