München (ots)
Die geplanten Themen
#Metoo im HipHop?« – warum Deutschrap ein Spiegel der Gesellschaft ist
Als 2017 »
#metoo« erst die sozialen Netzwerke, die Schauspiel-Szene und dann immer mehr Teile der Gesellschaft erfasste, blieb es bemerkenswert still im Deutschrap – der immerhin erfolgreichsten Musikrichtung im Land. Doch nun, mit fast vier Jahren Verspätung, hat der Deutschrap seinen eigenen
#metoo-Moment: Die Influencerin Nika Irani beschuldigte den Berliner Rapper Samra, sie in seinem Studio vergewaltigt zu haben. Daraufhin meldeten sich zahlreiche Frauen zu Wort, berichteten unter dem hashtag »
#deutschrapmetoo« von ähnlichen Erfahrungen mit Musikern. Bekannte Persönlichkeiten, allen voran Shirin David, solidarisierten sich mit den Opfern.
Den Fall Samra wird wohl die Justiz klären müssen, der Rapper bestreitet die Vorwürfe, doch die Debatte über Sexismus im Deutschrap ist jetzt da. Nicht wenige sehen in der Tatsache, dass sie den deutschen HipHop erst so spät erreicht hat, einen weiteren Beleg dafür, dass diese Szene ein besonderes Problem mit Frauenverachtung hat. Tatsächlich sind Texte und Gebaren etlicher Rapper geprägt von sexistischen Begriffen, überholten Männlichkeitsbildern und Gewalt. Höchste Zeit also, dass Künstler, Fans und Labels, die mit all dem viel Geld verdienen, die Sache endlich ernster zu nehmen. Aber vielleicht ist manches auch ein bisschen komplizierter. Kompliziert ist im HipHop schon das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit. Wer spricht: der Rapper oder eine Kunstfigur? Dann ist nicht jedes Mal, wenn jemand "Bitch" sagt, dies notwendigerweise ein Ausdruck von Frauenhass, sondern auch Teil der komplexen Codes dieser Kultur - die man kennen muss, um sie zu verstehen. Viele Rapperinnen, wie eben Shirin David, eignen sich sexistische Begriffe und Übersexualisierung an und verstehen gerade das als feministischen Akt. Und bisweilen kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass Teile der sogenannten Mehrheitsgesellschaft ganz froh sind, dass sie das Problem des Sexismus in die migrantisch geprägte Schmuddelecke des Rap schieben können. Dabei war das doch immer die besondere Stärke des Rap: dass er der Gesellschaft ihre Vulgarität, ihre Brutalität und ihren Hang zum Exzess ganz ungeschminkt gespiegelt hat.
»ttt« hat mit dem Rapper Megaloh, der HipHop-Journalistin Miriam Davoudvandi und der Publizistin Antonia Baum über Frauenverachtung und Feminismus im Deutschrap gesprochen.
Bericht: Jella Mehringer
Zwischen Weltraum und Tiefsee – der atemberaubende Dokumentarfilm »Wer wir waren«
Mit dem Astronauten Alexander Gerst blicken wir von der Internationalen Raumstation ISS auf die Erde und sehen ihre fragile Atmosphäre im Sonnenlicht flimmern. Die über 80-jährige Ozeanologin Sylvia Earle nimmt uns mit in die Tiefen des Meeres, lässt uns staunen - und fürchten, denn dieses Wunder ist bedroht.
Der Dokumentarfilm »Wer wir waren« bietet spektakuläre, poetische Bilder und nicht weniger spektakuläre Begegnungen mit sechs herausragenden Wissenschaftler:innen und Denker:innen, die den aktuellen Zustand der Welt reflektieren - und sich damit nicht abfinden wollen. Der Ökonom Dennis Snower etwa glaubt daran, dass wir die Wirtschaft nachhaltig transformieren können, während sein Kollege Felwine Sarr an einer echten Partnerschaft zwischen Europa und Afrika arbeitet. Eine Zukunft haben wir nur, da sind sie sich einig, wenn wir eine globale Solidarität erreichen.
Der Film basiert auf dem letzten Buchprojekt von Roger Willemsen. Willemsen erkrankte an Krebs und starb, bevor er es fertigstellen konnte, doch der preisgekrönte Filmemacher Marc Bauder (»Master Of The Universe«) greift Willemsens zentrale Idee auf und schaut mit der Perspektive der nächsten Generationen auf unsere Gegenwart. Er stellt die zwei entscheidenden Fragen: Was können wir noch tun, um den drohenden Klimakollaps zu vermeiden und warum haben wir es bis hierhin nicht getan?
»Wer wir waren« wurde 2020 mit dem Hessischen Filmpreis ausgezeichnet. Es ist ein eindrückliches Filmessay geworden, ein Innehalten in der alltäglichen Informationsflut, das vielleicht die Chance bietet, doch noch zu verstehen, was wir längst wissen, aber nicht wahrhaben wollen.
»ttt« hat Marc Bauder in Berlin getroffen und mit ihm darüber gesprochen, warum wir – im Weltmaßstab – so unfähig sind, das Falsche zu lassen und das Richtige zu tun.
Bericht: Tanja Küchle
Diese Frau kann die Welt verändern – die Digitalvisionärin Francesca Bria baut aus Daten eine bessere Zukunft
Wir müssen unsere Daten zurückholen, sagt Francesca Bria. Denn sie sind im digitalen Zeitalter wahrscheinlich der größte kollektive Schatz unserer Gesellschaften. Wir können es uns nicht mehr erlauben, sie globalen Megakonzernen zu überlassen, zu deren Geschäftsmodell es gehört, damit Abermilliarden zu verdienen. Geld, das uns dann für die großen Zukunftsaufgaben fehlen wird: Für eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft, ein gerechteres Gesundheits- und Steuersystem, faire Wohnungspolitik, exzellente Bildung für alle, die Unterstützung der Schwächsten im globalen Maßstab. Deswegen will Francesca Bria, dass wir aus unserem digitalen Dämmerschlaf erwachen. Sonst riskieren wir über kurz oder lang den sozialen Frieden und das demokratische Zusammenleben in unseren Gesellschaften, sagt sie. Und gleichzeitig könne man mit Daten so viel Gewinnbringenderes für alle schaffen. Für die Digitalvisionärin gibt es keine digitale Revolution ohne eine demokratische Revolution.
Wer Francesca Bria erlebt und einen Einblick in ihr Denken bekommt, ist notwendigerweise beeindruckt. Die gebürtige Römerin ist analytisch brillant, überzeugend und messerscharf in ihren Argumenten, gleichzeitig so unmittelbar präsent, dass man ihr einfach zuhören muss. Bria ist Präsidentin des italienischen Nationalen Innovationsfonds, Professorin am University College in London, Chefberaterin der Vereinten Nationen und Ideenentwicklerin für die Europäische Union und Städte wie Barcelona und Hamburg. Wenn sie von Daten redet, dann geht es ihr nicht allein um das Recht des Einzelnen, über die eigenen Daten zu verfügen. Was sie will, sind "data commons": Kollektive Daten, die wir alle nutzen können, um aus ihnen sozialen Wert zu entwickeln, und um bessere, am Gemeinwohl orientierte Politik zu machen. Wie das geht, hat sie in Barcelona bewiesen. In einem gigantischen Modellprojekt mit 400.000 Menschen wurden gemeinsam Stadtviertel nach den Bedürfnissen der Bewohner:innen umgestaltet und damit Räume partizipatorischer Demokratie geschaffen. Staatliche und privatwirtschaftliche Interessen wurden sozialen Interessen untergeordnet, die Menschen konnten über eine digitale Bürgerbeteiligungsplattform und Versammlungen die Ziele der Politik mitdefinieren. Kulturelle und soziale Räume statt Shoppingmalls, Fahrradspuren, fairere Mietpreise, Plätze voller Grün, wo man sich gerne trifft, autofreie Bereiche.
Welche zentrale Rolle dabei Daten-Souveränität spielt, hat Francesca Bria »ttt« in Rom erzählt. Und auch, warum Europa eine Vorreiterrolle einnehmen muss, wenn es um einen digitalen, sozialen und ökologischen Wandel geht.
Bericht: Andreas Krieger
Glamour, Filme, Strand – das Filmfestival in Cannes feiert die Rückkehr des Kinos
Endlich wieder Kino! Nach eineinhalb Jahren Pandemie, einsamen Fernsehabenden und Lockdown in Serie wollen jetzt die 74. Filmfestspiele von Cannes die Rückkehr des Films auf die große Leinwand feiern. Und wie: Wes Anderson, Sean Penn und Asghar Farhadi zeigen ihre neuen Filme, auf dem roten Teppich sieht man Stars wie Adam Driver, Marion Cotillard und Jodie Foster, die Jury ist mit Spike Lee und Maggie Gyllenhaal prominent besetzt. Ja, Cannes ist immer noch das bedeutendste, glamouröseste und elitärste Filmfestival der Welt. Nachdem 2020 wegen Covid-19 alle Veranstaltungen abgesagt werden mussten und weltweit Film-Produktionen zum Erliegen kamen, soll nun von der Côte dAzur ein Impuls für die ganze krisengebeutelte Filmbranche ausgehen. Doch auch die diesjährige Ausgabe ist von der Pandemie geprägt: Weniger Besucher, Testpflicht und Filmvorführungen nicht nur in den traditionsreichen Kinopalästen, sondern Open Air unter Palmen am Strand.
»ttt« ist unterwegs auf diesem besonderen Filmfestival und bringt Geschichten mit – aus Cannes und vom Kino!
Bericht: Katja Deiß
Moderation: Max Moor
»ttt – titel thesen temperamente« ist am Sendetag ab 20:00 Uhr in der ARD-Mediathek verfügbar.
Redaktion: Nora Binder, David Gern (hr)