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Foto: Patrick Pollmeier, FH Bielefeld, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

»Lehrergesundheit 4.0«

Bielefeld (fhb). Im vergangenen Jahr wurde wie in einem Brennglas sichtbar: Deutschlands Schulen hinken in der Digitalisierung hinterher. Wir hören hier viel von den Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler – doch wie sieht es auf der anderen Seite des Bildschirms aus? In ihrer Masterarbeit untersuchte Dana Jarczyk von der Fachhochschule (FH) Bielefeld die berufsbedingte Mediennutzung von Lehrkräften und das Entstehen von »Technostress«. Das Ergebnis: Für eine »gesunde« Digitalisierung sind passende Fortbildungen, eine angemessene Infrastruktur und Unterstützungsangebote nötig, um Überbelastungen zu verhindern und Fehlzeiten entgegenzuwirken. Ihre Masterarbeit wurde nun mit dem First Award vom Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS) ausgezeichnet.

Einseitige Perspektive und mangelnde IT-Ausstattung als Stressfaktoren

Grundlage der Arbeit bilden Interviews mit acht Lehrkräften von vier Schulen aus dem Sekundarbereich, die Dana Jarczyk noch vor Beginn der Corona-Pandemie durchführte. »Besonders im Zusammenhang mit dem 2019 verabschiedeten DigitalPakt Schule ist mir aufgefallen, dass bisher nur wenig aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer gesprochen wurde«, so Jarczyk, die Angewandte Sozialwissenschaften am Fachbereich Sozialwesen der FH Bielefeld studiert hat. Meist fokussieren sich Studien auf positive oder negative Effekte für den Lernprozess beziehungsweise die Bildungsteilhabe von Schülerinnen und Schüler.

Neben dem »klassischem« Einsatz im Unterricht nutzen Lehrerinnen und Lehrer digitale Medien für die Unterrichtsplanung und zu administrativen Zwecken, wie die Verarbeitung von Noten und Zeugnissen. Dabei wird bereits das erste Problem deutlich: »Viele Lehrkräfte arbeiteten dafür auch vor Corona von zuhause an ihren privaten Computern«, sagt Jarczyk. Denn: Ob langsames Internet oder keine Arbeitslaptops – an vielen Schulen fehlte es schlichtweg an der notwendigen Infrastruktur.

Defizite beim Umgang mit dem Datenschutz

Ein weiteres Problem seien sehr schwer einzuhaltende Datenschutzbestimmungen: »Einige der Regelungen verhindern die Handlungsfähigkeit oder begünstigen gar einen Verstoß gegen den Datenschutz, wenn durch die Schule keine Geräte gestellt werden und personenbezogene Daten dadurch am privaten Computer verarbeitet werden müssen. Diese rechtliche Unsicherheit ist belastend und führt oftmals zu Frustration«, so Jarczyk.

Immer erreichbar? Nachhilfe per Whatsapp

Ein weiterer Stressfaktor: Durch digitale Medien hat sich die Kommunikation auch an Schulen verändert. Jarczyk: »Vor allem durch E-Mails wird oft eine unmittelbare Reaktion von Seiten der Schülerinnen und Schülern, Eltern oder dem Kollegium erwartet. Aber auch Handys werden immer mehr genutzt.« So kommt es durchaus vor, dass Lehrkräfte ihre privaten Handynummern an Schülerinnen und Schüler und das Kollegium geben, um besser erreichbar zu sein. Whatsapp-Gruppen mit Schülern sollte es aus datenschutzrechtlichen Gründen eigentlich nicht geben, dies sei aber dennoch oft der Fall.

Dadurch verschwimmen die Grenzen zwischen Privatem und Dienstlichen immer mehr. »Einerseits bieten diese Möglichkeiten eine schnelle Informationsweitergabe und einen guten Austausch und werden daher oft als praktisch empfunden. Andererseits kann dies bei nicht vorhandenen oder ineffektiven Strategien zur Stressbewältigung ein Gefühl der dauerhaften Erreichbarkeit erzeugen und auf diese Weise zu Überbelastungen führen«, so Jarczyk.

Masterarbeit bringt Soziologie in die Praxis

Betreut wurde die Dana Jarczyks Masterarbeit von Prof. Dr. Thomas Altenhöner. »Die Arbeit behandelt natürlich ein hochaktuelles Thema und verdeutlicht eindringlich die Relevanz sozialwissenschaftlicher Forschung«, so der Professor für Gesundheitswissenschaften am Fachbereich Sozialwesen der FH Bielefeld. »Die besondere Stärke der Masterarbeit liegt darin, dass Dana Jarczyk wissenschaftlich sowohl hinsichtlich der theoretischen Fundierung auf Basis mehrerer Stressmodelle als auch in Bezug auf die Umsetzung ihrer Forschung äußerst präzise gearbeitet hat und ihr damit eine hervorragende Mastarbeit gelungen ist.« Aus diesem Grund ermutigte er seine Studentin, die Arbeit für den Preis des Berufsverbands Deutscher Soziologinnen und Soziologen einzureichen.

Mit dem Preis zeichnet der Verband Absolvierende aus, die mit ihrer Abschlussarbeit einen überzeugenden Bezug zur Berufspraxis insbesondere außerhalb des universitären Umfeldes hergestellt haben. Soziologie in die Praxis bringen – dieser Anspruch der Jury wurde von Dana Jarczyk »in beeindruckender Art und Weise« umgesetzt, heißt es in der Bekanntmachung des Verbandes. Der Preis wurde im Rahmen der Tagung für angewandte Sozialwissenschaften im Juni 2021 überreicht.

Corona-Projekte auf Kosten der engagierten Lehrkräfte

Erhoben hat Dana Jarczyk ihre Daten bereits 2019 – also noch bevor die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Homeschooling und Wechselunterricht zum Standard an den Schulen machten. Wie schätzt sie die Auswirkungen durch Corona ein? »Viele Schulen sind digital einfach noch nicht ausreichend ausgestattet, und dies wurde durch die Corona-Pandemie nun noch offensichtlicher. Ich kann mir vorstellen, dass Lehrkräfte, die gerne und viel in der Schule gearbeitet haben oder weniger technikaffin sind, überrumpelt, wenn nicht überfordert sind«, so die Absolventin.

Auch wenn sich gezwungenermaßen seit Beginn der Pandemie einiges an Schulen verbessert wurde, ist sich Dana Jarzcyk sicher, dass viele dieser »Ad hoc-Projekte« auf Kosten der psychischen Gesundheit von engagierten Lehrkräften durchgeführt wurden: »Digitalisierung hätte im Bereich Schule schon viel früher, umfassender und systematischer angegangen werden sollen, sodass nicht nur die Schulen, die einen guten Förderverein, eine motivierte Elternschaft und ein kleines Kollegium haben, sich entwickeln können, sondern dies flächendeckend geschieht.«
 
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