Kein Ersatz, sondern eine Ergänzung soll die digitale App »Mineo« sein, die Mitglieder des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) jetzt im Zuge eines Projekts mit der AOK Niedersachsen testen. Die Idee: Über die App vermitteln Physiotherapeuten Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen Übungen, die diese dann therapiebegleitend selbstständig zuhause durchführen. Der Physiotherapeut begleitet während der Behandlungen vor Ort die Entwicklung des Patienten.
In der Praxis läuft das so ab, dass der bei der AOK versicherte Patient mit einer »normalen« Verordnung in die Physiotherapiepraxis kommt. Das Besondere ist dann, dass der Therapeut dem Patienten die »Mineo«-App zusätzlich zur eigentlichen Behandlung empfehlen kann, indem er ihm die Zugangsdaten zur App aushändigt. Je nach Beschwerdebild kann der Therapeut einzelne Übungen für den Patienten freischalten. Der Therapeut bestimmt also, welche Inhalte der App dem Patienten angezeigt werden. Dadurch kann er gezielt Einfluss auf das therapiebegleitende Training des Patienten nehmen. Im Rahmen des Pilotprojekts wird also unter anderem evaluiert, wie es ist, wenn der Therapeut selbst Apps empfiehlt.
Zuhause schaut sich der Patient über die App Videos von den Übungen an und kann so besser darauf achten, dass er alle Bewegungen richtig durchführt. Bei der nächsten Behandlung in Präsenz tauschen sich Patient und Therapeut darüber aus, ob die Übungen gut durchführbar sind. Außerdem prüft der Therapeut, ob schon Erfolge sichtbar sind oder der Patient eventuell andere Übungen benötigt – immer individuell und ergänzend zur Behandlung.
»Wichtig ist uns bei digitalen Therapieergänzungen, dass die Software praxistauglich ist und einen echten Mehrwert für Patient und Therapeut bietet«, erklärt Ute Repschläger, Vorstandsvorsitzende des IFK, warum sich der Verband an dem gemeinsamen Pilotprojekt beteiligt. »Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten – aber nur dann, wenn sie sinnvoll eingesetzt wird. Beim ›Mineo‹-Projekt können wir jetzt direkt in der Erprobungsphase daran mitwirken, dass die Bedürfnisse von Physiotherapeuten und Patienten berücksichtigt werden.«
Darum hat der Verband seine Mitglieder in der Testregion Oldenburg/Osnabrück/Emsland aufgerufen, die App im Praxisalltag zu erproben und regelmäßig Feedback zu geben. »Welche positiven Behandlungseffekte werden erzielt? Wo besteht Verbesserungsbedarf? Das sind die Fragen, die uns interessieren«, betont auch Brigitte Käser, Geschäftsführerin Gesundheitsmanagement ambulant der AOK Niedersachsen. »Wir wollen die Gesundheitsversorgung der Patienten mit digitalen Angeboten nachhaltig verbessern. Dabei möchten wir die Therapeuten mit ihrer direkten Beziehung zum Patienten gerne einbinden.«
Die »Mineo«-App wird den teilnehmenden IFK-Praxen kostenlos zur Verfügung gestellt. Bevor die Physiotherapeuten die App in ihren Praxisalltag integrieren, nehmen sie einmalig an einer eineinhalbstündigen Schulung teil, in welcher ihnen die bestmögliche Nutzung der App erläutert wird. Auch werden Wege aufgezeigt, wie die Physiotherapeuten ihren Patienten die App zugänglich erklären können.
Die Funktionen der »Mineo«-App sind leicht verständlich und intuitiv bedienbar. Dennoch gilt es im Rahmen des Projekts auch zu untersuchen, ob beziehugnsweise in welchem Umfang neben den positiven Behandlungseffekten auch zusätzliche Aufwände für die Physiotherapeuten entstehen (zum Beispiel für die Erklärung der App und Rückfragen seitens der Patienten). Für eine Übernahme des digitalen Therapie-Assistenten in die Regelversorgung müsste dann geklärt werden, in welcher Form diese Aufwände dem Physiotherapeuten vergütet beziehungsweise in die Behandlung integriert werden könnten.