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Foto: Bildarchiv Jäger: Gaststätte Koch vor 1846
Ein Ort mit Geschichte(n) und Kulturtradition
Bereits 1788 – während Frankreich unter Ludwig XVI. den Staatsbankrott erklärt und auf die Revolution zusteuert, nimmt im westfälischen Harsewinkel ein Haus den Gastbetrieb auf, der bis in das Jahr 2019 fortbesteht. Gegründet wurde der erste Betrieb von Moritz Koch unter dem Namen »Gaststätte Koch«. Das Gebäude wurde jedoch 1846 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, dem später Ausbauten folgten wie das Dachgeschoss, ein vergrößerter Festsaal, eine Remise sowie eine Kegelbahn. Seit 1898 führte das Haus dann den Namen »Gasthof Wilhalm« und neben dem Gaststätten und Hotelbetrieb diente es als Kaiserliche Postagentur.
Foto: Bildarchiv Jäger: Gaststätte Wilhalm um 1890
Einen echten Einschnitt in den Betrieb gab es 1945 mit der Besetzung der Räumlichkeiten durch die britische Armee. Die Besetzung von Wohnraum prägte von 1945 bis 1953 generell das politische und gesellschaftliche Leben der Harsewinkeler wesentlich: Durch die Landflucht der städtischen Bevölkerung und Flüchtlingsströme aus dem Osten war es um Wohnraum in Harsewinkel ohnehin knapp bemessen. Auch dienten viele der durch die Briten besetzten Gebäude zugleich als Arbeitsstätten, welche in der wirtschaftlich sowieso schon heiklen Lage das Grundeinkommen der Familien hätten sichern sollen. Dementsprechend sorgten die Besetzungen zu großem Unmut in der Harsewinkeler Bevölkerung und führten zu damaligen Spannungen im Verhältnis der Bevölkerung zu der britischen Besatzungsmacht. Ein Verhältnis das sich allerdings wesentlich bessern sollte im Laufe der Jahre, mit freundlicher Nachbarschaft zur Royal Air Force in Marienfeld. So nimmt der »Wilhalm« auch wieder Fahrt auf in den Nachkriegsjahren und prägt das Ortsgeschehen, an höchster Stelle in der Stadt gelegen.
Foto: Elke Westerwalbesloh, Westfalen Blatt: Hedemarie & Achim Koriath 2019
1968 übernehmen Hedemarie und »Achim« Koriath den Gasthof in vierter Generation und bieten vielen Generationen von Geburtstagskindern, Hochzeitsgästen, Stammtischen und Vereinen ein gastliches Zuhause. In 2019 wird der traditionsreiche Betrieb dann vom Besitzerpaar aus Altersgründen aufgegeben und hinterlässt eine große Lücke im Kulturgeschehen der Stadt. Hier haben Chöre geprobt, Närrinnen und Narren Karneval gefeiert oder Familien ein kleines Festmal genossen. Viele Geschichten und Erinnerungen sind verbunden mit dem Haus, das einfach immer schon da war.
Foto: HVMC, Malte Schön: Illumination des Wilhalm 2021
Nicht umsonst heißt es augenzwinkernd, das Harsewinkel um den alten Gasthof gebaut worden sei, wo Kultur und Begegnung stets einen zentralen Platz hatten. Unter den Beweggründen diese Lücke wieder zu schließen, hat die Stadt Harsewinkel 2019 das Gebäude erworben, unter Denkmalschutz gestellt und sich erfolgreich für eine Nutzung als sogenannten »Dritten Ort« beim Land NRW beworben. Gemeinsam mit Kooperationspartnern und der Bürgerschaft stehen die Räumlichkeiten nun seit 2021 mit Fördermitteln des NRW Kulturministeriums für eine vielfältige Nutzung zur Verfügung, im Rahmen eines »Probebetriebes« als kultureller Ort bis 2024. Der sogenannte Probebetrieb dient dazu, möglichst viele Nutzungen auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Dafür wird der alte Gasthof mit einfachen Mitteln fit gemacht und mit neuer Veranstaltungstechnik ausgestattet. So stehen zum Beispiel eine Bühne mit Konzertflügel bereit, Tagungsräume für Kurse und Workshops oder Ausstellungsflächen. Mit den Erfahrungen aus dem Probebetrieb soll es dann ab 2024 weitere Umbauten geben, damit Harsewinkel einen festen und zentralen Ort für Kultur, Bildung und Begegnung bekommt, der optimal auf die Bedürfnisse zugeschnitten ist – der Kulturort Wilhalm.
Kommentare
Peter Wittmack: Moin , moin aus Molfsee bei Kiel Was für ein tolles Gebäude mit einer einmaligen Geschichte.Schön das es weitergeht. Ich habe noch eine Postkarte aus dem Jahre 1958. Mein Vater war vom 6 bis 7 Juni 1958 im Wilhalm. Er besucht einen Mähdrescher-Lehrgang bei Firma Claas in Harsewinkel. herzliche Grüße Peter Wittmaack, 7. Februar 2023, 17.03 Uhr