Projektkoordinator im Team von Judith Peltz ist Cobi King. Er selbst hat Deutschland aus der Perspektive des internationalen Degree Seeking Students erlebt. Foto: Susi Freitag, FH Bielefeld, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Das Projekt »StayInOWL« will internationalen Studenten helfen, erfolgreicher zu studieren – und sie vom Standort überzeugen
Bielefeld (fhb) Wer schon einmal im Ausland studiert hat, weiß: Der Kontakt zu Einheimischen ist das A und O für die Integration. Aber sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden, ist nicht einfach und verlangt, die eigene Komfortzone zu verlassen. Hier setzt das Projekt »StayInOWL« der #Fachhochschule (FH) #Bielefeld an. Innerhalb des Projekts sollen Barrieren im Studienverlauf internationaler Degree-Seeking Students aufgedeckt werden. In einem zweiten Schritt wird dann ein darauf zugeschnittenes Rahmenprogramm – im Projekt Progressionsprogramm genannt – entwickelt.
Das Programm wird aus studienbegleitenden Angeboten wie Workshops, Informationsveranstaltungen und Trainings bestehen, die die Kompetenzen der Studenten sowohl auf sprachlicher als auch auf sozialer Ebene fördern. So sollen internationale Studenten, die einen Studienabschluss an der FH anstreben, beim Übergang auf den deutschen Arbeitsmarkt unterstützt werden. Das Projekt wird vom DAAD mit insgesamt 180.000 Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2023 gefördert und ist Teil des Programms »STIBET II – Modellprojekte zur Verbesserung der Willkommenskultur«.
Soziale und akademische Integration können schwierig sein
»Die Lage der internationalen Studenten an deutschen Hochschulen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Lage der deutschen Studenten«, berichtet Judith Peltz, Projektleiterin und Dezernentin für Internationales an der FH. »Internationale Studenten stoßen oft auf Schwierigkeiten in der sozialen und akademischen Integration, sprachliche Barrieren stellen eine weitere Hürde dar. Diese Faktoren können dazu führen, dass sich die Studenten isoliert fühlen. Genau diesen Barrieren widmet sich das Projekt ›StayInOWL‹.«
Fehlende Sprachkenntnisse können zur Isolation führen
Projektkoordinator im Team von Judith Peltz ist Cobi King: »Viele der Degree-Seeking Students haben zwar bereits die erforderlichen Deutschkenntnisse für die Zulassung zum Studium. Aber hier angekommen, müssen sie feststellen: Das Alltags-Deutsch und das Deutsch im Hochschulkontext weichen oft stark von dem ab, was die Studenten in ihrem Heimatland gelernt haben. Deutsch ist nicht gleich Deutsch.«
Für internationale Studenten in Studiengängen mit englischsprachigen Modulen an der FH sei die soziale und akademische Integration besonders schwierig, so King weiter. »Ihre Hemmungen, Deutsch zu sprechen, sind in der Regel groß, und der Kontakt zu Einheimischen wird dadurch erschwert. Das führt zu einem Gefühl der Isolation, was wiederum starken Einfluss darauf nimmt, ob sie sich hier wohlfühlen.« Wer erst einmal in diese Abwärtsspirale der Einsamkeit geraten ist, bricht das Studium nicht selten vorzeitig ab und kann sich auch keine Zukunft in Deutschland vorstellen. Cobi King: »So kann man den Fachkräftemangel hierzulande jedenfalls nicht beheben.«
Cobi King kennt die Barrieren aus eigener Erfahrung
Cobi King weiß, wovon er spricht. Er selbst hat Deutschland aus der Perspektive des internationalen Degree-Seeking Students erlebt. Ursprünglich stammt King aus Bristol und hat seinen Bachelor der Germanistik an der Swansea University in Wales absolviert. Im Anschluss daran entschied er sich für das Masterstudium »Auslandsgermanistik – DaF/DaZ« an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Daher kennt er die Barrieren für internationale Studenten an deutschen Hochschulen aus eigener Erfahrung. Eine wichtige Strategie für ihn: Während seiner gesamten Studienzeit absolvierte er immer wieder Praktika in Deutschland, beispielsweise am #Goethe Institut Mannheim und im Bereich »Internationales« der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim.
Ein Problem: große Unterschiede im wissenschaftlichen Arbeiten
Doch Praktika allein sind nicht die Lösung: »Als ich das erste Mal im Masterstudium eine wissenschaftliche Hausarbeit schreiben musste, war ich ganz schön überfordert«, erzählt King. »Das Vorgehen an deutschen Hochschulen unterscheidet sich stark vom Studium auf der Insel. In meiner Heimat müssen wir zum Beispiel nicht selbst eine wissenschaftliche Fragestellung formulieren. Stattdessen erhalten wir Listen mit vorgegebenen Fragen oder Aussagen von den Dozierenden. Meist gleichen die zu erarbeitenden Texte eher einem Essay und sind mit acht bis zehn Seiten viel kürzer als Hausarbeiten an deutschen Hochschulen. Hinzu kommen dann noch sprachliche Herausforderungen wie der richtige Gebrauch von deutschen Fachbegriffen – das kann ja schon in der Muttersprache ein Problem sein. An der Universität Jena gab es zwar Workshops für internationale Studenten zum Thema ‚Wissenschaftliches Arbeiten‘, aber die Teilnehmerzahl war immer stark begrenzt.«
Umfragen sollen Erkenntnisse darüber bringen, welche Barrieren es gibt
Genau hier will das Projekt »StayInOWL« ansetzen: Um an den spezifischen Problemstellen ansetzen zu können, wurde zunächst eine breit angelegte Online-Umfrage entwickelt. Mit ihrer Hilfe hat das Projektteam so viele Erkenntnisse wie möglich über den Studienverlauf der Degree-Seeking Students gesammelt. Ab Januar werden Einzelinterviews geführt, um ausführlicher zu ergründen, welche Probleme sich für einzelne Studenten bei einem Studium an der FH ergeben. Der Plan für das kommende Jahr sieht vor, die Ergebnisse der Umfrage und Interviews zu nutzen, um geeignete Maßnahmen in Form eines freiwilligen Progressionsprogramms zu entwickeln. Das soll aus drei Themenblöcken bestehen, die ab dem Wintersemester 2022/23 angeboten werden. Diese widmen sich unter den drei Oberbegriffen Integration, Beruf und Networking interkulturellen, sozialen, berufsorientierten sowie sprachlichen Kompetenzen der internationalen Studenten. Ergänzend soll eine Informationskampagne dafür sorgen, dass möglichst viele Degree-Seeking Students das Angebot wahrnehmen. 2023 folgt dann die Evaluierung der Maßnahmen: Wie viele Studenten haben an dem freiwilligen Programm teilgenommen? Haben die Angebote den Studenten geholfen, sich besser zu integrieren? Wo gibt es noch Nachbesserungsbedarf?
Wohnen im Wohnheim: Internationale Studenten unter sich
Cobi King hat bereits Vermutungen, welche Barrieren es für internationale Studenten an der FH geben könnte: »Die Wohnsituation für internationale Studenten kann ein Problem sein. Auf dem privaten Wohnungsmarkt stoßen sie häufig auf Schwierigkeiten, denn viele Makler und Maklerinnen in Deutschland verlangen eine Mietbürgschaft, die sich aus dem Ausland oft schwer einrichten lässt. Außerdem werden die meisten WG-Zimmer unmöbliert vermietet – ein weiteres Problem. Aus diesen Gründen weichen die internationalen Studenten häufig auf Wohnheime aus, die aber fast ausschließlich von internationalen Studenten bewohnt werden – der Kontakt zu einheimischen Studenten fehlt.« Ein Teufelskreis, der die internationalen Studenten daran hindert, im Alltag Kontakt zu Einheimischen aufzubauen und so auf natürliche Weise ihre Sprach- und interkulturellen Kenntnisse zu schulen. Die ersten Ergebnisse der Online-Umfrage bestätigen Kings Vermutungen: 58 Prozent der Befragten fand die Wohnungssuche schwer bis sehr schwer, nur 29 Prozent bewertete diese als »machbar«.
Auch soziale Kompetenzen werden im Projekt geschult
Solchen Barrieren wird eine spezielle Station innerhalb des Progressionsprogramms gewidmet: der Themenblock »Integration«. Denn Cobi King betont: »Im Projekt ‚StayInOWL‘ geht es nicht nur um die Integration der internationalen Studenten in den deutschen Arbeitsmarkt, sondern auch darum, dass sie sich der deutschen Gesellschaft zugehörig fühlen.« Daher wird es im Progressionsprogramm die Möglichkeit der Projektarbeit zwischen einheimischen und internationalen Studenten geben. Hier bieten sich Chancen, ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Zugleich können einheimische Studenten interkulturelle Erfahrungen sammeln und vielleicht sogar neue Freundschaften schließen – eine Win-win-Situation.
Einheimische Freunde gesucht
Cobi King: »Ich konnte das selber als internationaler, aber auch als einheimischer Student während meines Bachelor- und Masterstudiums beobachten. Als internationaler Student ist es gar nicht so einfach, mit anderen Studenten in Kontakt zu treten. Zum einen bestehen die interkulturellen Unterschiede, die es manchmal schwermachen, sich mit jemandem anzufreunden. Zum anderen kommt es häufig vor, dass einheimische Studenten bereits Freundschaften und Kontakte an der Hochschule haben. Das sind Menschen, die sie noch aus der Schulzeit oder der Heimat kennen. Sie suchen also nicht mehr aktiv nach neuen Freundschaften. Internationale Studenten verfügen nicht über solche Anknüpfungspunkte. Mit den gemeinsamen Projektarbeiten wollen wir genau dieses Problem aktiv angehen.«
Vernetzung mit Unternehmen aus OWL
Darüber hinaus sollen Informationsveranstaltungen zu Praktika und Ehrenämtern als Teil des Progressionsprogramms die internationalen Studenten in die Lage versetzen, sich mit Akteuren in der Region OWL zu vernetzen. Der erhoffte Effekt: Die internationalen Studenten verbessern ihre Deutschkenntnisse und lernen Menschen in ihrer Altersgruppe kennen, die ihren Lebensmittelpunkt in OWL haben. Die Studenten sollen dadurch außerdem die Möglichkeit bekommen, sich mit Fachkräften und Mitarbeitenden aus Firmen in OWL zu vernetzen und bereits mögliche Arbeitgeberinnen und -geber kennenzulernen. So sollen engere Kontakte mit international geprägten Unternehmen in der Region entstehen.
Ziel des Projektes: Gefühl der Zugehörigkeit und Einstieg ins Berufsleben
Cobi King hätte selbst als internationaler Student gerne an einem solchen Angebot in seinem Masterstudium teilgenommen: »Das Progressionsprogramm wird den Studenten dabei helfen, ihre berufsorientierten, interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen zu verbessern. Damit soll nicht nur der Übergang in den Beruf erleichtert werden, sondern auch ein Gefühl der Zugehörigkeit entstehen.« Das Projekt »StayInOWL« ist somit ein Produkt der Strategie »Internationales« der FH Bielefeld mit dem Ziel, die Willkommenskultur nachhaltig zu verbessern.