Jede Sekunde könnten Schüsse fallen oder eine Mine in die Luft gehen: Die Menschen in der Ostukraine leben seit 2014 mit der ständigen Angst, dass ihr nächster Schritt ihr letzter sein könnte. Die SOS Kinderdörfer passen ihre Hilfsmaßnahmen fortlaufend an die sich ändernden Geschehnisse und Bedürfnisse an, um die Menschen bestmöglich zu unterstützen. Foto: Katerina Ilievska, SOS Kinderdörfer weltweit, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Donbass: Leben auf dem Pulverfass. Wie geht es den Menschen während der Ukraine Konflikt erneut zu eskalieren droht?
Luhansk (ots)
Jede Sekunde könnten Schüsse fallen oder eine Mine in die Luft gehen: Die Menschen in der Ostukraine leben seit 2014 mit der ständigen Angst, dass ihr nächster Schritt ihr letzter sein könnte. Zehntausende sind bereits im Donbass-Konflikt gestorben. Rund 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge sahen sich gezwungen, die betroffenen Regionen Donezk und Luhansk zu verlassen. Käme es zu erneuten Kampfhandlungen, wären 2,9 Millionen Menschen – darunter 430.000 Kinder – davon bedroht.
»Wir haben Notfallvorsorgemaßnahmen getroffen: Wir haben Lebensmittelpakete für jede SOS-Pflegefamilie und für die Familien unserer Mitarbeiter gesichert, falls der Ernstfall plötzlich eintritt und sie nicht rechtzeitig evakuiert werden können. So wären sie viele Tage mit Nahrung und Wasser zu Hause versorgt, bis sich die Situation beruhigt«, berichtet Serhii Lukashov. Er ist seit 2019 Leiter der SOS Kinderdörfer in der Ukraine.
Während die Welt gebannt auf die Geschehnisse und mögliche militärische Bewegungen blickt, versuchen die Bewohner in der Region Luhansk sich ein Stück Normalität zu bewahren. Die wenigsten bereiten sich auf eine Flucht vor, die meisten wollen bleiben: »Als der Krieg 2014 anfing, gerieten wir noch in Panik, aber nun sagen die Leute: ›Es gibt ständig Schüsse, Gerüchte, Angst. Das ist alles schrecklich, aber wir können nicht immer in Panik geraten.‹ Sie leben schon ziemlich lange in diesem Zustand. Sie mussten sich eine dicke Haut zulegen, um weitermachen zu können.« Laut Lukashov sei diese Haltung einerseits notwendig, um irgendwie einen Alltag in einem Krisengebiet bewältigen zu können. Anderseits auch besorgniserregend, weil diese auch ein Zeichen der emotionalen Erschöpfung der Personen sein könnte.
Umso wichtiger sei die kontinuierliche Unterstützung der Menschen vor Ort. »Wir haben seit Jahren umfassende Hilfe für Kinder und Familien bereitgestellt, einschließlich pädagogischer und psychologischer Unterstützung.«
Vor allem für die Kinder im Donbass ist die Lage unzumutbar. Sie haben alles andere als eine normale Kindheit: Seit 2014 leben sie unter ständigem Stress und mussten viel Zeit isoliert von anderen Kindern verbringen. Dann kam 2020 noch die #Corona #Pandemie dazu. Nun sind die Kinder noch isolierter: »Die massivste Auswirkung ist der Ausfall von Unterricht oder gar der Schulabbruch von Kindern. Vor allem in kleinen Dörfern in abgelegenen Gegenden, wo es kein Internet und keine Notebooks gibt, ist das ein großes Problem, das unsere Gesellschaft viele Jahre lang betreffen wird, wenn diese Kinder mit großen Bildungslücken aufwachsen.«
Die Kinder in den SOS Programmen konnten mithilfe von Spenden mit Geräten und Material für den Fernunterricht ausgestattet werden, aber andere Kinder sind durch den Schulabbruch in einer schwierigen Situation, erklärt Lukashov: »Wie sieht ihre Zukunft aus? Ich bezweifle leider, dass sie das nachholen können, was sie verpasst haben. Ohne Bildung verlieren sie ihre Chance auf einen guten Beruf und ein eigenständiges Leben!«
Die SOS Sozialzentren bieten Nachholunterricht an, können aber nicht die gesamte Region Luhansk abdecken. Die Entfernungen in der Region sind groß. »Wir werden eine Generation von ländlichen Kindern haben, die einen großen Teil ihrer Bildung verlieren. Das ist ein großes, nationales Problem.«
Neben dem Bildungsproblem sowie der latenten Angst vor erneuten Kampfhandlungen, leben laut Lukashov die Menschen mit einer weiteren Gefahr: »Minen können jederzeit explodieren! Erst gestern haben mir meine Kollegen aus Luhansk erzählt, dass eines unserer Kinder ihnen gesagt hatte, dass es zusammen mit Freunden in den Wald gehen wollte. Doch da unsere Mitarbeiter vor der Minenverseuchung gewarnt hatten, ging es nicht mit. Einige der Freunde wurden wenig später durch Sprengstoff verletzt. Wenigstens wurde durch unsere Aufklärungsarbeit ein weiteres Kind geschützt. Es geht immer stetig weiter, Stück für Stück. Und wir werden nicht aufhören, den Kindern zu helfen!«
Die SOS-Kinderdörfer sind seit 2003 in der Ukraine aktiv. Seit 2012 helfen die SOS Mitarbeiter Familien und Kindern in der Stadt Luhansk. Durch den anhaltenden Konflikt werden die Hilfsmaßnahmen fortlaufend an die sich ändernden Geschehnisse und Bedürfnisse angepasst, um die Menschen bestmöglich zu unterstützen.