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Exponate im Digitalen

Exponate im Digitalen

Robert Emmerich, Julius Maximilians Universität Würzburg

Digitale Ausstellungen haben in der Corona Pandemie einen Schub erfahren. Ein jetzt erschienener Tagungsband beleuchtet das Phänomen aus unterschiedlichen Perspektiven.

Sie war genau einen Tag lang zu sehen: die große, mit internationalen Leihgaben bestückte Ausstellung »›Der Schönheit die Arbeit geben‹, Tiepolo und seine Werkstatt in Würzburg«, die am 30. Oktober 2020 im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg eröffnet wurde. Danach kam der Lockdown und das Museum musste seine Türen für Besucher wieder schließen. Doch die Verantwortlichen reagierten schnell und setzten alles daran, die Ausstellung in den digitalen Raum zu tragen. Alle paar Tage veröffentlichten sie dafür auf YouTube Videos, die in die Ausstellung einführten oder sich einzelnen Kunstwerken widmeten.

Hat solch eine virtuelle Ausstellung eine vergleichbare Qualität wie der Besuch vor Ort? Wo liegen die Unterschiede? Welche Erscheinungsformen gibt es? Wohin führt die Entwicklung in der Zukunft? Und – ganz besonders wichtig: Wie kommt das digitale Pendant bei den Besucherinnen und Besuchern an?

Zwei Tagungen rund um #digitale #Ausstellungen

Mit diesen – und vielen weiteren Fragen – haben sich zwei Tagungen beschäftigt, die im September 2017 und im November 2018 an der Forschungsbibliothek Gotha stattgefunden haben. Mitorganisator der zweiten Tagung war die Professur für Museologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Jetzt ist der darauf basierende Sammelband »Exponat – Raum – Interaktion. Perspektiven für das Kuratieren digitaler Ausstellungen« erschienen. Er versammelt mehrere Beiträge dieser Tagungen, die um weitere Aufsätze ergänzt wurden.

Die insgesamt 20 Beiträge des Bandes bündeln die vielfältigen, vor allem praxisorientierten, aber auch wissenschaftlich-methodischen Zugänge zu dem sich dynamisch entwickelnden Medium virtueller Ausstellungen. Der Blick der Autorinnen und Autoren richtet sich dabei auf das Objekt und dessen Rolle beziehungsweise spezifische Qualität als digitales Exponat sowie die Potenziale multimedialer Ausstellungsgestaltung im digitalen Raum. Eingeflossen sind dafür auch Erkenntnissen aus der musealen Publikumsforschung. Darauf basierend lotet der Band die Erwartungen der »Ausstellungsbesucher im Digitalen« sowie digitale Strategien und Vermittlungskonzepte bei solchen Ausstellungen aus.

Zwischen Experiment und Standardisierung

»Digitale Ausstellungen befinden sich aktuell noch in einer Pionierphase zwischen Experiment und Standardisierung«, erklärt Guido Fackler, Professor für Museologie an der JMU. Dementsprechend vielfältig sei ihr Erscheinungsbild. So haben beispielsweise nach der coronabedingten Schließung zahlreiche Museen, Bibliotheken und Archive digitale Ausstellungsrundgänge eingerichtet – so genannte Online-Rundgänge. Sie bieten Interessierten die Möglichkeit, sich mit Hilfe eines Cursors durch die Räume einer dreidimensional abfotografierten, physischen Ausstellung zu bewegen. »Andere Häuser boten beispielsweise online übertragene Live #Führungen durch eine physische Ausstellung an«, sagt Fackler.

Was diese Formen digitaler Ausstellungen verbindet, ist die Tatsache, dass sie zusammen mit einer physischen Ausstellung entstanden sind und diese begleiten. Ohne eine konkrete Ausstellung an einem konkreten Ort würden sie nicht existieren. Dem gegenüber stehen digitale Ausstellungen, die von Anfang an für einen virtuellen Besuch konzipiert wurden und für sich existieren. Darüber hinaus lassen sich zahlreiche weitere Formen unterscheiden – von der klassischen Webseite mit Texten, Bildern und Videos über begehbare, dreidimensional wirkende virtuelle Räume bis hin zu dynamisch interaktiven Wissensportalen.

Digital unterscheidet sich immer von analog

All diese verschiedenen Formen der Präsentation verfolgen jedoch ein gemeinsames Ziel: Sie wollen ein über das Internet zugängliches Äquivalent für eine Ausstellung schaffen. Allerdings schränkte die Mitherausgeberin des Tagungsbands, Dr. Hendrikje Carius (Forschungsbibliothek Gotha), ein: »Es versteht sich von selbst, dass bei solchen Transpositionen vom Analogen ins Digitale keine 1 zu 1 Entsprechungen entstehen«. Schließlich sei ein E Book nicht dasselbe wie ein gedrucktes Buch, der Einkauf bei Amazon etwas anderes als der Einkauf im Kaufhaus, eine Videokonferenz etwas anderes als die persönliche Zusammenkunft – auch wenn die Kernfunktion – ein Werk lesen, Waren kaufen, sich besprechen – im Wesentlichen erhalten bleibe. Ob dies auch für virtuelle Ausstellungen gelte, sei noch nicht definitiv geklärt.

Offen ist auch eine Reihe weiterer Fragen, die für alle digitalen Ausstellungen gelten: Wie können sie sich angesichts einer kaum überschaubaren Menge konkurrierender Angebote im World Wide Web Ausstellungen behaupten? Und wie lässt sich garantieren, dass sie so, wie geplant, bei den Betrachterinnen und Betrachtern ankommen – wenn der eine seinen virtuellen Rundgang auf dem Smartphone absolviert und die andere dafür den 23 Zoll großen Monitor nutzt? Und wie beeinflusst eigentlich eine digitale Präsentation Wahrnehmung und Rezeption, aber auch Erinnerung und Behaltensleistung verglichen mit einer physisch-analogen?

Neue Strategien sind erforderlich

Guido Fackler jedenfalls ist sich sicher: »Da sich die Anonymität des Internets mit seinem erheblichen Ablenkungspotential negativ auf die im Digitalen eh schon prekäre Besuchsdauer auswirkt, sind kuratorische, gestalterische, didaktische und kommunikative Strategien für digitale Ausstellungen zu erproben, evaluieren und reflektieren.« Diese müssten sowohl auf digitale und technische Rahmenbedingungen als auch auf jüngere museologische Paradigmen abgestimmt sein.

Originalpublikation

Hendrikje Carius, Guido Fackler (Herausgeber), »Exponat – Raum – Interaktion. Perspektiven für das Kuratieren digitaler Ausstellungen«, Schriften des Netzwerks für digitale Geisteswissenschaften und Citizen Science, Göttingen 2022, DOI 10.14220/9783737012584

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