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Menschen mit Behinderung in Gastfamilien, »Ich dachte mir, wir probieren es einfach mal«Zoom Button

Karsten Rybiak und Siegbert Kei leben seit über zehn Jahren mit ihren Gasteltern Rosemarie und Dirk Lange zusammen. Foto: LWL, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Menschen mit Behinderung in Gastfamilien, »Ich dachte mir, wir probieren es einfach mal«

Menschen mit Behinderung in Gastfamilien, »Ich dachte mir, wir probieren es einfach mal«

Westfalen-Lippe, Kreis Recklinghausen (lwl) Menschen mit Behinderungen, die nicht länger im eigenen Zuhause betreut werden können, bleibt häufig nur der Umzug in ein Wohnheim oder eine Wohngruppe. Mit dem »Betreuten Wohnen in Gastfamilien« (BWF) bietet der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eine Alternative: Menschen mit Behinderungen leben in einer sogenannten Gastfamilie, die sie bei einer möglichst selbstbestimmten Lebensführung unterstützt.

»Die neuen Mitbewohner leben wie ein Familienmitglied im Haushalt der Gastfamilie und können dadurch am gesellschaftlichen Leben teilhaben«, erklärt #LWL Sozialdezernent Matthias Münning. Eine besondere fachliche Qualifikation sei nicht erforderlich: »Gastfamilien leisten eine Arbeit, die eine professionelle Begleitung kaum übernehmen kann.«

Die Integration in das Familienleben fördere die soziale Entwicklung und gebe den Bewohner:innen Sicherheit, so Katrin Hermann, Regionalplanerin beim LWL: »Die Familien können die Lücke füllen, die in der notwendigen Distanz zwischen Menschen mit Behinderungen und professionellen Mitarbeitenden in den besonderen Wohnformen entsteht.«

Diese Erfahrung haben auch Karsten Rybiak und Siegbert Kei aus Datteln (Kreis Recklinghausen) gemacht. Die zwei Männer haben sich während ihrer Zeit im Wohnheim kennengelernt, fühlten sich dort beide aber nicht wirklich wohl. »Alleine in einer eigenen Wohnung zu leben, hätte ich zu der Zeit nicht geschafft«, erzählt Rybiak. Zudem war der damals 29 Jährige sehr schüchtern und hatte nur wenig soziale Kontakte. 

Wieder einen Familienanschluss zu haben, habe er sich daher sehr gewünscht. Seine Sozialarbeiterin informiert ihn schließlich über das »Betreute Wohnen in Gastfamilien« und stellt einen Kontakt zum BWF Team vor Ort her. Bereits beim ersten Treffen mit dem Ehepaar Lange passt es: »Wir waren uns direkt sympathisch – er kam, sah und siegte«, sagt Rosemarie Lange, Rybiaks »Gastmutter«.

Die heute 71 Jährige wird 2006 auf eine Suchanzeige nach Gastfamilien in der Zeitung aufmerksam. »Nachdem unsere Kinder alle ausgezogen waren, kam mir das Haus einfach zu groß und leer vor«, erzählt Lange. »Eigentlich dachte ich, es geht um Kinder. Im Gespräch mit dem Team habe ich dann festgestellt, dass von Erwachsenen die Rede ist. Aber ich dachte mir, wir probieren es einfach mal.«

2 Jahre nach Rybiak kommt auch Kei zu Rosemarie und Dirk Langes Familie. Mittlerweile leben sie dort seit rund 15 Jahren. Für die beiden Männer sind Dirk und Rosemarie Lange jedoch mehr als nur Gasteltern: »Wir sind eine Familie und unterstützen uns gegenseitig«, erzählen Rybiak und Kei. Das bestätigt auch Dirk Lange: »Am Anfang war es natürlich auch mal schwierig, aber wir sind zusammengewachsen.« Ehrlichkeit und Kommunikation seien das wichtigste: »Sie haben gelernt, dass sie jederzeit mit uns reden und auch sagen können, wenn sie etwas möchten oder sie etwas stört.«

Bei Familie Lange haben Rybiak und Kei gemeinsam eine eigene Wohnung im Haus. Jeder der beiden Männer hat zwei Zimmer für sich persönlich, während sie sich Küche und Bad teilen. Nach der Arbeit kochen sie oft gemeinsam und erledigen die Hausarbeit selbstständig. 2015 hat sich Rybiak zudem noch einen Traum erfüllt und arbeitet nebenbei als Gästeführer im LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg.

In den nächsten Jahren erfüllen sich auch Rosemarie und Dirk Lange einen großen Traum – die »Gasteltern« ziehen nach Ungarn. Dann übernimmt ihr Enkelsohn mit seiner Familie das Haus und die Gastelternschaft: »Uns war es wichtig, dass Karsten und Siggi ihr Zuhause behalten können«, sagt Rosemarie Lange. »Unsere Enkelkinder sind mit ihnen groß geworden, für sie waren sie schon immer Teil der Familie. Daher war es keine Frage, dass das auch so bleiben soll.«

Hintergrund

Das »Betreute Wohnen in Gastfamilien« (BWF) ist ein Angebot des LWL für erwachsene Menschen mit einer psychischen, körperlichen und/oder geistigen Behinderung sowie einer Suchterkrankung. Ähnlich wie in der Kinderhilfe und Jugendhilfe nehmen Familien, Paare oder Einzelpersonen sowie Geschwister oder Angehörige als sogenannte »Gastfamilie« Menschen mit Behinderung bei sich auf. Unterstützt werden die Familien und ihre Gäste von einem Mitarbeiterteam einer öffentlichen Einrichtung für Behindertenhilfe vor Ort, die mit dem LWL zusammenarbeitet – wie im vorliegenden Beispiel die Caritas Marl.

In Westfalen-Lippe leben rund 725 (Stand 2020) Menschen mit Behinderung in einer #Gastfamilie. Um noch mehr Menschen mit Behinderung diese Möglichkeit bieten zu können, werden immer offene Familien gesucht, die für eine Gastelternschaft bereit wären. Bei Interesse informiert und unterstützt das jeweilige Fachteam in Wohnortnähe.

Liste aller Fachteams in Westfalen-Lippe

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