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11. Internationales Treffen in Cluj Napoca, rumänische Kultur, Nationaltheater Lucian Blaga, September und Oktober 2022Zoom Button

Das Nationaltheater Lucian Blaga mit Blick aus der multikulturellen Stadt Cluj Napoca auf rumänische Kultur beim 11. Internationalen Treffen. Eindrücke von Dieter Topp., Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

11. Internationales Treffen in Cluj Napoca, rumänische Kultur, Nationaltheater Lucian Blaga, September und Oktober 2022

11. Internationales Treffen in Cluj Napoca, rumänische Kultur, Nationaltheater Lucian Blaga, September und Oktober 2022

Zwischen dem 28. September und dem 2. Oktober 2022 hate das Nationaltheater in Cluj zum jährlichen Treffen national und internal Personen und Persönlichkeiten aus der Welt des Theaters geladen, um den Blick aus der multikulturellen Stadt auf rumänische Kultur vorzustellen.

Das alles beherrschende Thema des grausamen und menschenverachtenden russischen Überfalls auf die #Ukraine und die damit verbundenen menschlichen Tragödien spielte natürlich auch bei europäischen und internationalen Theaterfestivals eine gewichtige Rolle, so auch bei diesem Treffen im rumänischen Cluj Napoca.

Ein theatralischer Showcase, Lesungen und Konferenzen, sowie Buchvorstellungen waren Teil des reich gefüllten Programms dieser 5 Tage. »Wo sind der Frieden und das Gleichgewicht, die wir brauchen? Die Toleranz, der zivilisierte Geist von Verhandlung und der Respekt vor den Unterschieden zwischen #Menschen, #Nationen, Völkern scheinen verlorengegangen«, so die Veranstalter.

Die erste #Live Begegnung zu diesem Thema startete mit Texten von Natalia Vorojbit, Tetiana Kitenko und Natalia Blok.
Ionut Caras bewies sich dabei erneut nicht nur als exzellenter Schauspieler, sondern einmal mehr als Regisseur mit Können und gutem Einfühlvermögen bei der Performance-Lesung auf Grundlage der Texte »Sacha, Take out the Garbage« von Natalia Vorojbit, »Let’s Call Them by Name« von Tetiana Kitenko und »Our Children« von Natalia Blok.

»Was wissen wir über den Krieg? Überhaupt nichts. Was wissen wir über die Erfahrung, einen geliebten Menschen zu verlieren, ihn spurlos verschwinden zu sehen? Was wissen wir über Bombardierungen, Angriffe, Kugeln, Vergewaltigungen oder ermordete Kinder? Überhaupt nichts … aber die Toten, ihre Opfer, das Chaos, das Drama – all das ist real, es geschieht tatsächlich. In unserer unmittelbaren Nähe.«

Jeder der 3 dramatischen Texte sprach auf seine Weise von der Tragödie, die sich in der #Ukraine abspielt. Sie sollten uns bewusst machen, was geschieht uns vor dem Vergessen bewahren (so wie wir so viele andere Dinge vergessen haben, uns einfühlsamer und schließlich menschlich machen. Eben wegen der Einfühlsamkeit von Caras gelang den Darstellern Adriana Bailescu, Diana Ioana Licu und Matei Rotaru der Spagat, die semi szenische Aufführung in Balance zu halten, um emotionale Elemente nicht ins Pathetische abgleiten zu lassen.

Maidan Inferno der ukrainischen Dramatikerin Neda Nezhdana, halbszenische Lesung unter der Regie von Tudor Lucano
Durch die Kombination verschiedener Realitäten und Schreibformen manifestierte sich das Stück als Intervention, Dokumentarfilm, virtuelles #Theater und mittelalterliches Mysterium zugleich. Die Handlung verfolgte die Schicksale der ukrainischen Revolutionäre von dem Moment an, als man die Demonstranten zusammenschlug bis zum Einmarsch der Russen in die Ukraine.

»Survivor’s Syndrome« von Andrii Bondarenko hatte Stefana Pop-Curseu ebenfalls als halbszenische Lesung für das #Kunstmuseum Cluj entwickelt. Es folgten Gespräche mit den ukrainischen Autorinnen Natalia Blok, Andrii Bondarenko und Tetiana Kytsenko. Offensichtlich wurde dabei, dass man den russischen Überfall auf die nahe gelegene Ukraine in Rumänien als noch bedrohlicher und viel emotionaler empfand.

3 bemerkenswerte Produktionen des Nationaltheaters begeisterten Besucher und Gäste gleichsam.

»Der verlorene Brief – in Concert« – welch ein Festivalabend im Nationaltheater Cluj! Die Menschen drängten zuhauf, um Einlass zu einem besonderen Theaterereignis zu bekommen. Anlässlich des 170. Geburtstages des rumänischen Dramatikers I. L. Caragiale hatte die weit über die Grenzen des Landes bekannte Autorin und Komponistin Ada Milea die mittlerweile klassischen Figuren der lächerlichen rumänischen Politikerklasse auf spielerische und originelle Weise neu entworfen. 
In ihrem originären und explosiven Stil gelang es ihr, den Sarkasmus Caragiales perfekt in die heutige Zeit zu transferieren. Die Charaktere wirkten aktueller denn je, relevant für unseren historischen Moment und absolut würdig für Caragiales zutiefst kritischen Blick und sein bitteres Lachen.

Die ewigen (rumänischen) Parteiinteressen, die über jedem bürgerlichen oder moralischen Kodex stehen, die heimlichen Leidenschaften und dramatischen Auseinandersetzungen, die ständig entschuldbare Korruption und die Unterwürfigkeit gegenüber den Mächtigen, der leere Patriotismus sowie eine idiotische Naivität und ständige Trunkenheit, die die letzten Spuren von klarem Denken und Anstand vergessen lassen – all das macht die fabelhafte Partitur und das monströs-komische Panorama einer Gesellschaft aus, die uns seit dem neunzehnten Jahrhundert begleitet.

Ungleich anderer Dramaturgien drang Ada Milea nicht nur tief in die rumänische Seele, das Herz und die Volksmusik ein. Bei allem Sarkasmus, der bei Caragiale vorherrscht, bewies die Autorin mit einem weinenden und einem lachenden Auge, dass man die Charaktere nicht hassen muss, wie es die die Kollegen gerne und oft in ihren Inszenierungen tun. Sie legte die Wahrheit in satirisch herzlicher Weise offen, die jung und alt zugleich verstanden und nachvollziehen konnten. Ein Stück lebendiges Theater für jedermann.

Und das schien ein weiteres Mal das, was das Ensemble dieses Theaters ausmacht: echte Freude an der liebevollen Darstellung der jeweiligen Charaktere der Autorin gepaart mit gesanglichem und instrumentalen Können, was sich bereits in früheren Stücken offenbarte. Jeder Einzelne füllte perfekt das Muster, das Milea (in Kooperation mit Anka Hanu) fein gestrickt hatte. Eine ausgezeichnete Ensembleleistung. Die Akteure liebten und das Publikum verehrte zu Recht Ada Milea.

»Die empörende Nachricht Hang Up, Don’t Keep The Line Busy« (Regie Adina Lazar) ist nur die ›Kirsche auf dem Sahnehäubchen‹ – sie spricht von einer Reihe von Fehlern, wie zum Beispiel prekäre Bildung (oder das völlige Fehlen davon), die patriarchalische Mentalität, die auf den Unterschieden basiert, die uns trennen, und die sorgfältig durch ungerechten, kriminellen Traditionalismus bewahrt wird, der von extremistischen Politikern oder von verschiedenen Eiferern, die in ihrem eigenen Interesse handeln, gefördert und in die Gesellschaft ›injiziert‹ wird, ein Mangel an Ausbildung im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen, die Beschuldigung der Opfer und die Entlastung der Angreifer. So ergab eine Umfrage aus dem Jahr 2019, dass 55 Prozent der rumänischen Bürgerinnen und Bürger Vergewaltigungen für vertretbar halten … es gaben 30 Prozent der rumänischen Frauen zu, zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt gewesen zu sein«, Autorin Alexandra Felseghi.

»Diese Aufführung auf der Bühne des Nationaltheaters Cluj, die von einem mehrheitlich weiblichen Team inszeniert wurde, eröffnet eine dringend notwendige Debatte: Wie ist es zu erklären, dass die rumänische Gesellschaft mehr als 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, zwei Jahrzehnte nach dem Beginn des 21. Jahrhunderts, als bereits Wellen des Feminismus durch die Welt schwappten und die Interessen der Frauen förderten … immer noch auf dem primitiven Niveau der Behandlung von Frauen als Bürger zweiter Klasse verharrt? […] Die Show … spricht … über jede der Frauen, die auf Parkplätzen am Straßenrand gehandelt oder zu demselben Zweck über die Grenzen geschickt werden, aber auch über die Auflösung und Vergeblichkeit eines Staates, dessen ›Säulen des Widerstands‹, die Behörden, durch Inkompetenz und Korruption zunichte gemacht werden«, Cristina Modreanu.

Die bitteren Tränen der Petra von Kant

Sie ist eine egozentrische Karrierefrau, die in ihrem mondänen Ambiente vereinsamt dahinlebt, ihre Angestellte und ihr Umfeld dominiert. In Fassbinders »Die bitteren Tränen der Petra von Kant« geht es vorrangig um eine lesbische Liebesbeziehung, die für die Protagonistin »bitter« endet. Eugen Jebeleanu hatte in seiner Inszenierung das Spiel von Macht und Abhängigkeit von Menschen und die Beurteilung nach ihrem Nutzen bis zu dem Punkt beibehalten, an dem die Stonewall Rebellion, eine Reihe von spontanen Protesten der Gay Community, im Hintergrund der Bühne sichtbar erschien, an Bedeutung gewann und dem Stück eine neue Wendung gab.

Hier nun trat der Wandel zu einem »Jebeleanu Stück« in Kraft. Jetzt kehrte er sein verletztes Inneres nach außen und nutzte die Vorlage um zu zeigen, dass nicht Machtspiele eine Rolle spielen, sondern Liebe für ihn über allem steht: Die von Karin Thimm (überzeugend berechnende Sanziana Tarta) verlassene Petra von Kant (Ramona Dumitrean in verwandlungsfähiger Bandbreite) wandte sich der zuvor geknechteten Angestellten Marlene (duldsame Angelica Nicoara) zu. Diese hatte stets zu ihrer Chefin gehalten und sie immer schon geliebt. Beide verließen das mondäne Umfeld (hervorragend gestaltet von Velica Panduru) und gingen Hand in Hand in eine dunkle unbekannte Zukunft hinaus. Nach 50 Jahren ist Fassbinder immer noch aktuell und berührte auf der persönlichen Ebene von Jebeleanu. 

»Weil diese historischen Momente der Konfrontation mit der Grenze nicht nur das Schlimmste und Hässlichste im Menschen zum Vorschein bringen, sondern auch das Beste, das Warmherzigste, das Mutigste und Großzügigste, das, was Identitätsgrenzen, Ressentiments und Frustrationen überschreitet, hatten wir vorgeschlagen, den diesjährigen Dialog unter dem pluralen Thema Identitäten zu führen«, seien abschließend Generalmanager Mihai Maniutiu und die künstlerische Leiterin des Hauses Stefana Pop Curseu zitiert.

Kulturforum Europa

Eine europäische Begegnung. Das Kulturforum Europa wurde auf Initiative von Hans Dietrich Genscher 1992 zur Förderung des gemeinschaftlichen europäischen Gedankens auf allen Gebieten der #Kultur gegründet. Gegenseitige Beachtung und Toleranz sollen als Beitrag zur Völkerverständigung vorangetrieben werden.

Kulturforum Europa

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