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Schüßler Salze, »Biochemische« Menschenversuche in den Konzentrationslagern Auschwitz und DachauZoom Button

Foto: Stanislaw Mucha, Bundesarchiv, Creative Commons BY-SA 3.0, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Schüßler Salze, »Biochemische« Menschenversuche in den Konzentrationslagern Auschwitz und Dachau

Schüßler Salze, »Biochemische« Menschenversuche in den Konzentrationslagern Auschwitz und Dachau

1942 tobte der Zweite Weltkrieg, bei der Wannseekonferenz wurde die »Endlösung der Judenfrage« erarbeitet. Der sogenannte »Reichsführer SS«, Heinrich Himmler, selbst ein großer Anhänger »alternativmedizinischer« Therapien, beschließt, die Wirkungsweise der »Biochemie nach Schüßler« (»Schüßler Salze«) an Insassen der KZs Auschwitz und Dachau testen zu lassen. Himmler wollte die teuren Sulfonamide durch billigere Alternativen ersetzen.

Der »Reichsarzt SS und Polizei« Ernst Robert Grawitz erhielt den Auftrag, die Wirkung der Schüßler Salze zu eruieren. Grawitz unternahm eine Versuchsreihe an Insassen des KZ Auschwitz. Den Gefangenen wurde beispielsweise Eiter von Kranken in die Oberschenkel injiziert, um eine Sepsis (Blutvergiftung) auszulösen. Diese Sepsis wurde dann mit Schüßler Salzen »behandelt«. Die Mittel zeigten keine Wirkung und mindestens 10 Infizierte starben jämmerlich. Am 23. August 1942 meldete Grawitz diesen Misserfolg an Himmler und verwies auf außerhalb dieser »Testreihe« aufgetretenen Sepsis Fälle, die mit Kalium Phosphoricum D 4 behandelt wurden, und die für die Opfer ebenfalls tödlich endeten.

Ernst Robert Grawitz, geboren 1899 in Charlottenburg, gestorben 1945 in Potsdam Babelsberg, war in der Zeit des Nationalsozialismus Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes, SS Obergruppenführer und General der Waffen SS. Als »Reichsarzt SS und Polizei« war er mitverantwortlich für Massenmorde an Behinderten und medizinische Experimente an #Gefangenen.

Himmler ließ sich durch die Fehlschläge nicht beirren und ordnete weitere Versuche mit Schüßler Salzen an, zu denen er den »Biochemischen Experten« Dr. Rudolf Kießwetter hinzuzog, der Experimente im #Konzentrationslager Dachau unternahm.

Häftlinge beschrieben Kießwetter als »kleines nervöses Männchen«. Er injizierte vorrangig inhaftierten polnischen Priestern Eiter in den Oberschenkel und behandelte sie anschließend mit Kalium phosphoricum D 6, Ferrum phosphoricum D 6 und D 12, Silicea D 6, Natrium phosphoricum D 6, Magnesium phosphoricum D 6 und Calcium phosphoricum D 6. Kießwetter war auch für weitere, teils tödlich verlaufende »Experimente« mit Gefangenen verantwortlich, denen beispielsweise »simulierte« Kriegsverletzungen zugefügt wurden.

Der österreichische Häftling Rudolf Kalmar sagte später aus, die unter großen Schmerzen leidenden Probanden seien »Träger schwer eiternder Wunden« gewesen, die man »mit allen möglichen buntfarbigen Pillen aus irgendeinem homöopathischem Laboratorium« abgefüllt habe. Zu den Ärzten sagte er: »Sie stapften gelegentlich gestiefelt und gespornt durch die Krankensäle, um dort herumzubrüllen, weil zu spät ›Achtung!‹ gerufen worden war oder weil sich einer der #Patienten nicht vorschriftmäßig #Bett aufgerichtet hatte. Wenn sie gerade besoffen waren, unerblieb die Visite überhaupt.«

56 Häftlinge starben während der Studien, 30 weitere erlagen später den Folgen der Biochemischen Experimente. Einige Opfer konnten von einem Krankenpfleger gerettet werden, der Sulfonamide an anderer Stelle entwendet und den Priestern injiziert hatte.

Auch diese Misserfolge wurden Himmler gemeldet. Der »Reichsführer SS« sah aber die Unwirksamkeit der Schüßler Salze nicht ein, sondern ordnete eine 3. Versuchsreihe an, in der die #Schüßler #Salze direkt mit #Sulfonamiden verglichen werden sollten

Insgesamt starben 90 KZ Insassen entweder direkt oder an den Folgen dieser Versuche. Die beteiligten SS Ärzte wurden nach Kriegsende als #Kriegsverbrecher verurteilt. Das alliierte Gericht beschäftigte sich allerdings nicht mit den erwähnten Versuchen. Lediglich Rudolf Kießwetter konnte sich einer Anklage entziehen. Ernst Rudolf Grawitz sprengte sich und seine Familie in den letzten Kriegstagen in seiner Villa in Berlin mit einer Handgranate in die Luft.

Wilhelm Heinrich Schüßler

Wilhelm Heinrich Schüßler, geboren am 21. August 1821 in Bad Zwischenahn, gestorben am 30. März 1898 in Oldenburg) war ein homöopathischer Arzt und der Begründer der »Biochemischen Heilweise«, der #Therapie mit den sogenannten Schüßler-Salzen.

Schüßler Salze und Komplexmittel werden mittlerweile auch im Fernsehen beworben, da muss doch was dran sein

Im Fernsehen werden auch minderwertige Bratpfannen, überteuerter Plastikschmuck, schädliche Zucker­snacks, höchst fragile Gemüseschneider und sonstiger Unfug beworben. Eigentlich wird im Fernsehen alles beworben. Das beweist also zunächst einmal gar nichts. Aber in der Tat: Schüßler Salze sind letztlich Homöopathika. Auch wenn der Erfinder, der homöopathische Arzt Wilhelm Heinrich Schüßler, erklärte, sein Verfahren sei »kein homöopathisches«, weil es nicht auf dem von Samuel Hahnemann postulierten Simile Prinzip (»Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt«) beruhe, sondern auf physiologisch chemische Vorgänge im menschlichen Organismus zurückzuführen sei.

Die in der Homöopathie üblichen »Arzneimittelprüfungen« an gesunden Probanden lehnte Schüßler aus diesem Grund für seine Salze als »grundfalsch« ab. Die Herstellungsweise der Schüßler Salze ist hingegen die gleiche wie bei anderen Homöopathika, es handelt sich letztlich um die gleichen Mittel. Es gab zu Schüßlers Lebzeiten viele Auseinandersetzungen mit Homöopathen, die seine Behandlungsmethode schon allein wegen ihrer Einfachheit nicht akzeptierten und verächtlich von Düngemitteln sprachen. Sie witterten Verrat an der gemeinsamen Sache. Über seine Therapie schreibt Schüßler: »Die Grundlage meiner Forschung waren Histologie, die darauf bezügliche Chemie, die anorganischen Bestandteile der Gewebe und die physiologischen Wirkungen oder Funktionen dieser Bestandteile.«

Auch das homöopathische Komplexmittel »Meditonsin« wird im Fernsehen beworben. Das kritische Verbrauchermagazin #Ökotest hat sich intensiv mit Meditonsin beschäftigt: Es enthält Aconitinum Dilution D 5, Atropinum sulfuricum Dilution D 5, Mercurius cyanatus Dilution D 8, Aconitinum ab D 3, Atropinum sulfuricum ab D 3 und Mercurius cyanatus (Quecksilbercyanad) ab D 5, jeweils potenziert mit einer Mischung aus Äthanol, Glycerol und gereinigtem #Wasser. Das Quecksilbercyanad soll zusammen mit den übrigen Inhaltsstoffen entzündungshemmend, heilungsfördernd und schmerzlindernd wirken. Trotz der #Verdünnung sollte nach Meinung vieler #Ärzte wegen des Quecksilbergehalts auf dieses #Mittel verzichtet werden.

Geht man davon aus, dass eine Infektion der oberen Atemwege, der sogenannte #Grippale #Infekt, auf einer Infektion mit #Viren beruht, ist das Präparat – unabhängig vom Quecksilbergehalt – als #Therapeutikum kaum geeignet, meinen selbst einige naturkundlich therapierende Ärzte. Der »Arzneiverordnungsreport«, den das Wissenschaftliche Institut der #AOK herausgibt, bezeichnet Quecksilber Homöopathika gerade bei #Kindern als »nicht diskutabel«.  

Literatur

  • Robert Jütte, »Homöopathie und Nationalsozialismus: Letztendlich keine Aufwertung der Homöopathie«, Deutsches Ärzteblatt 2014, 111(8): A-304, B-263, C-251

  • Ernst Klee, »Auschwitz, die NS Medizin und ihre Opfer«, Fischer Verlag, Frankfurt, 1997, ISBN 978-3100393067

  • Florian G. Mildenberger, »Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte im Nationalsozialismus: Bestandsaufnahme, Kritik, Interpretation«, Wallstein, 2016, ISBN 978-3835318793

  • Christian Schröter, »Das Erfolgsgeheimnis der Homöopathie«, ISBN 979-8835609468
Das Erfolgsgeheimnis der Homöopathie

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