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Foto: Christian Schröter, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber

Küchengeschichten aus Gütersloh 2009

Küchengeschichten aus Gütersloh 2009

  • In der Serie »Mehr ist mehr« berichtet Michael Penno von seinen ­Ansichten über die Zuschauer der weitverbreiteten Kochsendungen im Fernsehen und seine ganz persönlichen Erlebnisse.

Gütersloh, Februar 2009

Zurzeit habe ich das Gefühl, dass jedermann glaubt, er sieht ’ne Kochshow und kann jetzt kochen, Tante Erna und Onkel Hermann mit Windmühlenmesser in der Hand bewaffnet, und der jahrzehntelangen Erfahrung eines 4 Personen Haushaltes mutieren nach Inhalation der diversen und einschlägigen #Talk und Zeigeshows zu Profiköchen erster Güteklasse. Alles ganz easy, machen wir heute doch mal locker ’nen Eis, jede Mutti hat ja heute so eine geiles 10.000 Euro Teil, womit man das mal zackig in ein paar Minuten machen kann, die anderen lass sich doch mit so einer »super spezial gelati machina« für nen 50er, aus dem gutsortierten Haushaltswarenladen, quälen, wo man so einen beknackten #Akku drin hat, den man separat einfrieren muß, richtig, genauso ein Scheißteil was man kein 2. Mal benutzt, weil es nach dem 1. Mal im #Müll liegt.

Oder machen wir mal ’nen bisschen #Farce, #Nudelteig – so oder so ähnlich geht’s ja permanent, und ich darf mir diese erworbenen Erkenntnisse in meinem eigenen Laden erklären lassen, wie man es denn richtig macht, jawoll, so ist das nämlich, wenn dieses Virus nicht so verbreitet wäre, grundsätzlich sehr amüsant. Frei nach dem Motto: Ich war mal im #Baumarkt um ein Brett zu kaufen, nebenbei lief da so’n nettes Filmchen und jetzt erklär ich mal dem #Tischler wie man so was bearbeitet … immer öfter muss ich #Diskussionen charmant, aber energisch umschiffen, die jeder vernünftigen und vor allem sachlichen #Grundlage entbehren. Und jedes Mal schwingt in den Erklärungen und Ausführungen mit: »das habe ich im #Fernsehen gelernt oder gesehen, das habe ich schon selbst gemacht, das kann ich auch, da brauche ich ja dann nicht ins #Restaurant gehen«. Ich kommentiere so etwas nicht. Erste Regel der gastronomischen Ausbildung. Gesetz Nummer 1: Der Gast hat immer Recht! Und dabei ist es völlig egal, ob das wirklich so ist.

Das war es dann aber auch schon an »good will«, und von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, trägt das wenigste dazu bei, ein objektives Bild insgesamt über #Gastronomie aufzuzeichen, geschweige denn von Kochen und Küche. Komisch (ich will keine PR für jemanden machen, vieles ist auch nicht von seinen Sendungen was durchgehend glänzt, aber ich hake es dann bei ihm unter TV nötig ab, like »sex sells«), ich kann mich an noch eine Sendung von Rach erinnern (freiwillige Promis vor, die dachten sie wären fit für #Küche) da liefen die meisten völlig entnervt, heulend oder psychisch fertig durch die Gegend. Das war ansatzweise objektiv, so wie es ist, du bekommst täglich richtig auf die Mütze, und sollst dabei grinsen und glänzen wie ein frisch geölter Babyhintern, von Top­lei­stun­gen am #Herd und am #Gast sowieso nicht zu reden. Ich zitiere Rach von anderer Stelle: »Gastronomie ist ein knallhartes Geschäft«, wer hier betriebswirtschaftlich und organisatorisch schwächelt, ist im Prinzip schon erledigt. Das unterschreibe ich sofort. 8 Stunden Tag? Frag mal einen ob er damit hinkommt, er wird dich auslachen, er versteht, das, mal ganz am Rande den Hype sowieso nicht in Deutschland, wegen 40 oder 50 Stunden, ebenso kann er Gewerkschaften nicht viel abgewinnen, was er der eigenen mit den niedrigsten Mitgliedszahlen quittiert. (Richtig, da ist Stolz. Stolz seinen Krempel selbst regeln zu können, ich bin wer, ich leiste was, auch wenn ich nicht viel Kohle damit verdiene, ich brauch so einen Club nicht), ich spreche von denen die was auf sich halten.

Und wie sieht das mit Euch aus? 15, 16 Stunden mal durchziehen, auch mal ein  paar Tage hintereinander, oder 2, 3 Wochen, kein Problem oder? Armer Zuschauer, siehst du leider nur das, was du sehen sollst und glaubst nur das, was dir Glauben gemacht wird. Ich verstehe das überhaupt nicht, sonst ist der Verbraucher doch auch etwas kritischer veranlagt. Alles ganz easy. Das heißt: Mit vollen Hosen lässt es sich gut stinken, wer ohne groß überlegen zu müssen aus dem Vollen schöpfen kann, ist hier klar im Vorteil. Und wer nicht unbedingt darauf angewiesen ist, Schwarze Zahlen liefern zu müssen, noch mehr. Und die, die es müssen und sich in meinem Alter befinden, sind dem Herzkasper sehr viel näher als einem #Cosmopolitan im Sommer an Bune 16. Alles ganz easy.

Kleine Quizfrage am Rande

Welcher Fisch ist frischer, der frische beim Händler, der vom Trawler am 3. Tag gefangen wurde, aufs Eis kam und der nach 5 weiteren Tagen, nachdem der Trawler den Bauch voll hatte in den Handel kam, oder der, der am 3. Tag gefangen wurde, und umgehend auf See verarbeitet und schockgefrostet wurde?

Natürlich ist es schöner zu sehen, wie ein Kollege 2 mal am Tag beliefert wird. Natürlich gibt es Labels, die mir garantieren, dass ich den Fisch in 36 Stunden nach Fang in meiner #Küche habe, das ist alles höchst respektabel, nur kenne ich keinen meiner Gäste der den Preis anstandslos dafür zahlen würde, den ich dafür verlangen müsste. Und das selbstverständlich in einer Zeit, in der eh alle den Stacheldraht doppelt gelegt in den Hosentaschen haben, und wo es hipper ist, sein Geld in die nachbarschaftliche Großstadt zu tragen (in dem irrigen Glauben, dort mehr geboten zu bekommen, qualitativ gesehen), als in das heimische Umfeld zu bringen. Deswegen freue ich mich auch auf den #Kollegen #Büdel, wieder ein bisschen mehr #Qualität, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen in Gütersloh. Ich weiß, das sind unbequeme Wahrheiten, aber man darf nicht Augen und Ohren einfach zu machen, es ist leider nicht so wie es zu sein scheint. Ich bewege mich nun seit 30 Jahren in der Gastronomie, davon 20 in der sogenannten »Spitzengastronomie«, es ist gar nichts easy, und schon gar nicht heutzutage …

[Das ist bei allen Kreativen und Künstlern das Gleiche. Anm. d. Red.]

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