Die mündliche Überlieferung von Musik hat tiefgreifende Auswirkungen auf deren Entwicklung. Bild: F. Bernoully, MPI für empirische Ästhetik, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Melodien im Wandel, #Max #Planck #Institut für empirische Ästhetik
Frankfurt am Main, 22. März 2023
Ob Volkslieder, Kinderreime oder #Balladen – #Liedgut wird seit Generationen mündlich weitergegeben. In der bisher umfassendsten Studie zur kulturellen Überlieferung von #Musik hat ein internationales Forschungsteam des Max Planck Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main, der University of Oxford und der University of Cambridge untersucht, wie sich Melodien im Laufe der Zeit durch den Einfluss sozialer, kultureller und kognitiver Faktoren verändern. Die Ergebnisse wurden jüngst im Fachmagazin Current Biology veröffentlicht.
Die Forscher führten Gesangsexperimente mit rund 1.800 Studienteilnehmer aus Indien und Nordamerika durch. Um die Entwicklung von #Musik durch mündliche Überlieferung zu simulieren, sollten die Teilnehmer:innen insgesamt mehr als 3.400 Melodien singend von einer Person zur nächsten weitergeben – ähnlich wie bei dem Kinderspiel »Stille Post«. Mit der Zeit unterliefen den Singenden Fehler, so dass sich die Musik immer mehr in Richtung ansprechender und leicht zu erlernender Melodien entwickelte.
»Lieder wurden über Generationen hinweg fast ausschließlich mündlich weitergegeben. Wir gehen davon aus, dass interkulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede im menschlichen Liedgut aus diesem Prozess der ›kulturellen Überlieferung‹ hervorgegangen sind. Bisher war jedoch nicht klar, wie genau die kulturelle Überlieferung die Entwicklung der Musik beeinflusst«, berichtet Erstautor Manuel Anglada-Tort vom MPIEA.
Die #Forscher fanden heraus, dass die mündliche Überlieferung tiefgreifende Auswirkungen auf die Entwicklung der Musik hat. Unter anderem offenbarten sich diese in der Entstehung verschiedener musikalischer Strukturen. Einige dieser Strukturen waren kulturübergreifend zu beobachten, wie etwa kleine Tonhöhenintervalle oder bogenförmige melodische Konturen – #Melodien, die in der Tonhöhe erst ansteigen und dann wieder abfallen.
Seniorautor Nori Jacoby vom MPIEA erklärt: »Wir stellten fest, dass Menschen ähnliche Vorlieben bei der Überlieferung von Musik haben, bedingt durch beispielsweise biologische oder kognitive Faktoren. Musikalische Elemente, die schwer zu singen oder zu behalten sind, wie große Tonhöhenintervalle oder unbekannte Melodien, hielten dem Übertragungsprozess seltener stand.«
Die Studie zeigte jedoch auch eindeutige kulturelle Unterschiede: So orientierten sich Teilnehmer aus Nordamerika bei der Weitergabe der Melodien eher an kulturellen Konventionen westlicher Musik, wogegen indische Teilnehmer gängige indische Skalen bevorzugten. Dies deutet darauf hin, dass auch die kulturelle Prägung ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der Musik ist.
Darüber hinaus stellten die Wissenschaftler:innen fest, dass die kulturelle Überlieferung gemeinsame Vorlieben für Musik innerhalb einer Gruppe weiter verstärken kann – eine Erklärung dafür, warum sich bestimmte musikalische Strukturen schneller verbreiten und im Laufe der Zeit immer beliebter werden. Dies erklärt auch die beobachteten interkulturellen Unterschiede bei der Überlieferung von Musik innerhalb verschiedener Gruppen.
Insgesamt lassen diese Ergebnisse darauf schließen, dass biologische, kognitive und kulturelle Faktoren einen Engpass in der mündlichen Überlieferung von Musik darstellen. Möglicherweise haben ähnliche Beschränkungen auch bei der Entwicklung der Musik in der frühen Menschheit eine Rolle gespielt.
Die Resultate dieser Studie liefern somit neue Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehung interkultureller Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der mündlichen Überlieferung von Musik. Darüber hinaus können sie auch auf andere Bereiche kultureller Überlieferung angewendet werden, wie beispielsweise die menschliche Sprache oder soziale Normen.