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Die »Stadt der Autoknacker«?

Herr Stehrenberg, seit vielen Monaten werden täglich durchschnittlich drei Autos aufgebrochen. Täuscht diese Wahrnehmung oder kann man tatsächlich von einer Serie sprechen?

Von einer Serie kann man nicht sprechen. Eine Serie fängt irgendwann an und hört irgendwann auf – wir haben es hier bei diesen Straftaten rund um Kraftfahrzeuge mit einem Phänomen unserer Zeit zu tun, das sich landesweit und bundesweit auswirkt. Gütersloh nimmt da keine Sonderstellung ein.

[Auf das Jahr 2004 bezogen und in Relation zur Einwohnerzahl von Gütersloh liegt die Zahl der täglichen Diebstähle aus Kraftfahrzeugen in Münster bei 1,7 Delikten, in Bielefeld bei 1,9 Delikten, in Herford bei 5,3 Delikten und in Gütersloh bei 5,9 Delikten (Detmold aktuell 0,3 Delikte). Anmerkung der Redaktion] Haben Sie Erkenntnisse über die Täter? Sind es immer dieselben und welchen Kreisen können sie zugeordnet werden?

Wir gehen davon aus, daß es sich zu rund 80 Prozent um Beschaffungskriminalität handelt. Die Täter sind zum großen Teil drogenabhängig, es handelt sich um soziale Härtefälle und »verkrachte Existenzen«. Viele der Jugendlichen und jungen Erwachsenen stammen aus »Problemfamilien«. Wir haben festgestellt, daß wenige Täter viele Straftaten begehen – wenn man da ins sprichwörtliche »Wespennest« sticht, gehen die Straftaten oft deutlich zurück.

Was kann die Polizei dagegen unternehmen? Gibt es Planungen für ein besonderes Vorgehen oder findet schon etwas außerhalb der üblichen Aktivitäten statt?

Bei tatsächlichen Serien haben wir Konzepte für besondere Vorgehensweisen, die ich natürlich hier nicht näher erläutern möchte. Aber grundsätzlich kann die Polizei bei solchen Massendelikten nur im konkreten Fall tätig werden und ermitteln. Um die Ursachen im Umfeld der potentiellen Täter frühzeitig zu bekämpfen, müssen auch andere Institutionen und Behörden tätig werden – da wird auch schon eine Menge getan. Oft wird von geringer Polizeipräsenz gesprochen – das täuscht: Wir arbeiten natürlich verstärkt mit verdeckten Ermittlern und Beamten in Zivil, man soll ja nicht sofort jede Polizeiaktion beobachten können.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, daß man offenbar größere Chancen hat, beim Falschparken erwischt zu werden, als beim Aufbrechen von Autos überrascht zu werden?

Zunächst einmal: Parksünder »aufzuschreiben« ist keine Polizeiarbeit – das machen die Politessen des Ordnungsamtes. Aber man darf nicht vergessen, daß ein Falschparker seinen Wagen oft stundenlang falsch parkt – der ist natürlich leichter dingfest zu machen, als ein Autoknacker, der in der Regel nur rund 30 Sekunden lang »arbeitet« und mobil ist. Für Betroffene ist das im Einzelfall natürlich hart und, um das klarzustellen: Autoaufbrüche sind für uns kein Kavaliersdelikt. Der volkswirtschaftliche Schaden, der dadurch entsteht, ist beträchtlich. Beispielsweise zahlt letztlich jeder die steigenden Versicherungsprämien.

Hat es nicht eine falsche Signalwirkung, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, daß Täter – wenn Sie denn mal gefaßt werden – wegen »Haftangst«, keiner Verdunkelungsgefahr und aus sonstigen Gründen offenbar umgehend wieder auf freien Fuß gesetzt werden? Hat der Staat hier keine Sanktionsmöglichkeiten?

Das muß man differenziert sehen. Die Polizei ist in erster Linie für die Ermittlung von Straftätern zuständig. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß wir hier von Untersuchungshaft sprechen. Sinn der U-Haft ist die Sicherung des Hauptverfahrens und nicht die Bestrafung von Tätern – ein Tatverdächtiger muß zur Hauptverhandlung erscheinen. Wenn das sichergestellt ist, also beispielsweise durch sein soziales Umfeld keine Fluchtgefahr oder Wiederholungsgefahr besteht, wird die Untersuchungshaft ausgesetzt. Das entscheidet im Einzelfall der zuständige Richter am Amtsgericht.

Hat sich Ihres Wissens Bürgermeisterin Maria Unger in den Sachverhalt eingeschaltet? Als Bürgermeisterin wäre sie doch angehalten, sich in irgendeiner Form auch darum zu kümmern?

Das spielt in das Thema der Ursachenbekämpfung – natürlich sind die entsprechenden Ämter aufgerufen, tätig zu werden. Hier werden auch bereits zum Teil gemeinsame Konzepte erarbeitet und umgesetzt.

[Deutliche Signale sind bis dato nicht gesetzt worden. Anmerkung der Redaktion] Was können Sie den Gütsler Autofahrern mit auf den Weg geben? Was sollten und können sie selbst tun und was wird seitens der Behörden getan werden?

Es sollten keine Wertgegenstände im Auto zurückgelassen werden – derzeit sind ja Navigationssysteme offensichtlich sehr »beliebt«. Ich will damit nicht sagen, daß die Betroffenen selbst schuld sind, aber mehr Eigenverantwortung täte gut. Rund die Hälfte der Autoaufbrüche findet übrigens tagsüber statt – man kann also leider nicht davon ausgehen, daß solche Straftaten nur nachts oder nur an bestimmten Stellen stattfinden. Alarmanlagen bringen in der Regel nicht viel – wenn überhaupt, dann ein wenig Aufmerksamkeit, sodaß möglicherweise durch Zeugen Beobachtungen gemacht werden können. Aber niemand sollte selbst einschreiten, wenn er einen Autoaufbruch beobachtet, um sich keiner Gefahr auszusetzen – man weiß nie, wie ein Täter reagiert. Wichtig sind möglichst genaue Personenbeschreibungen, Fahrzeugbeschreibungen oder Beschreibungen des Fluchtwegs – und natürlich, schnellstmöglich die Polizei zu informieren – am besten über den kostenlosen Polizeiruf 110, der auch vom Handy aus erreichbar ist – in der Regel auch ohne eingesetzte SIM-Karte.

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