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Gütsel Lesertelefon: Nachbereitung Sprechzeit »Weltstillwoche 2023« vom 5. Oktober 2023
Gütersloh, 5. Oktober 2023
Frauen, die nach der Geburt in ihren Beruf zurückkehren und ihr Kind weiterhin stillen wollen, sind häufig vor organisatorische Herausforderungen gestellt. Diese sind jedoch in der Regel gut zu meistern. Somit sollte die #Erwerbstätigkeit kein Grund für frühzeitiges Abstillen sein – und das Stillen kein Grund für einen späteren Wiedereinstieg in das #Berufsleben. Wie es gelingen kann, Stillen und Beruf zu vereinbaren, und welche Rolle dabei das Mutterschutzgesetz spielt, dazu informierten Expertinnen des Netzwerks Gesund ins Leben in der Sprechzeit. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen.
Prof. Dr. Katja Nebe: »Bis zum ersten Geburtstag haben Sie nach dem Mutterschutzgesetz das Recht auf bezahlte Pausen zum Stillen. Die Dauer hängt davon ab, wie viel Zeit individuell erforderlich ist. Grob gesprochen sieht das Gesetz bei Vollzeitbeschäftigung Mindestpausen von zweimal täglich 45 Minuten vor, bei Teilzeitbeschäftigten mindestens 2 mal 30 Minuten. In dieser Zeit können Sie Ihr Kind stillen oder Milch abpumpen. Der Arbeitgeber muss Sie im Rahmen dessen auf Ihr Verlangen von der Arbeit freistellen. Diese Zeiten müssen nicht vor oder nachgearbeitet werden, Ihnen entsteht kein Entgeltausfall. Bei Gleitzeitmodellen, vor allem solchen ohne Kernarbeitszeiten, bestehen individuelle Besonderheiten. Im Mutterschutzgesetz ist das Recht auf bezahlte Stillpause auf das erste Lebensjahr begrenzt. Nach dem ersten Geburtstag kann der Arbeitgeber die #Nacharbeit verlangen.«
Jutta Hahne: »Auch in Teilzeit müssen Ihnen bezahlte Stillzeiten gewährt werden. Stimmen Sie diese mit Ihrem Arbeitgeber ab. Grundsätzlich sollten sie so gelegt werden, dass möglichst wenig Arbeitszeit ausfällt. Die erforderlichen Zeiten können zum Beispiel an den Beginn oder ans Ende des Arbeitstages gelegt werden. Auch in Teilzeit gilt: Der Zeitbedarf ist abhängig vom Alter und den Bedürfnissen Ihres Kindes. Ausnahmen gelten, wenn Sie nur wenige Stunden pro Tag arbeiten oder bei Gleitzeitregelungen ohne Kernarbeitszeit. Es empfiehlt sich, mit Ihrem Arbeitgeber eine für beide Seiten praktikable Lösung über die Stillzeiten zu finden.«
Prof. Dr. Katja Nebe: »Grundsätzlich ja, aber mit Einschränkungen. Zwischen 22 und 6 Uhr dürfen Stillende in aller Regel nicht beschäftigt werden. Für die Zeit zwischen 20 und 22 Uhr kann mit Ihrem Einverständnis eine Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot beantragt werden. Außerdem begrenzt das Mutterschutzgesetz den Umfang der Arbeitszeit für #Stillende auf maximal 8,5 Stunden pro Tag beziehungsweise 90 Stunden in der Doppelwoche. #Nachtarbeit zwischen 22 und 6 Uhr und #Überstunden dürfen Sie nur in besonders begründeten Einzelfällen, nach behördlicher Genehmigung, ärztlichem Zeugnis und mit Ihrem Einverständnis leisten. Außerdem begrenzt das #Mutterschutzgesetz #Arbeit an #Sonntagen und #Feiertagen, auch wenn diese nicht gefährlicher ist als an anderen Tagen. Von diesem Verbot kann mit Ihrem Einverständnis eine Ausnahme bei der Aufsichtsbehörde beantragt werden.«
Dr. Monika Berns: »Wenn Sie Ihr Baby voll stillen, sollten Sie alle 3 bis 4 Stunden anlegen oder abpumpen, damit Ihr Körper weiterhin ausreichend Milch produziert. Nehmen Sie sich genügend Zeit und Ruhe dafür: Die gesetzlich ausgewiesenen Stillzeiten sind ausdrücklich Mindestzeiten, gerade jüngere Kinder trinken möglicherweise deutlich länger und häufiger. Wenn Sie in dieser Zeit Stillprobleme oder das Gefühl haben, dass die Milchmenge abnimmt, können Sie sich an Ihre betreuende #Hebamme wenden, bis Ihr Kind neun Monate alt ist – auf ärztliche Anordnung auch länger. Auch qualifizierte Stillberaterinnen und Stillberater unterstützen dabei.« Einen Überblick gibt es hier …
Dr. Monika Berns: »Beginnen Sie etwa 2 Wochen vor dem Arbeitsbeginn damit, 1 bis 2 mal am Tag Muttermilch zu gewinnen. Das geht per Hand oder mit einer elektrischen #Pumpe, die Sie mit oder ohne Rezept in einer #Apotheke leihen können. So können Sie einen Vorrat anlegen und eine andere Betreuungsperson kann damit beginnen, Ihr Kind mit abgepumpter Milch zu füttern. Denn auch für Ihr Baby ist das neu und es muss dafür etwas üben.« Mehr über Muttermilch und zum Umgang damit hier …
Jutta Hahne: »Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, dafür geeignete Bedingungen sicherzustellen. Dies ist idealerweise ein ausgewiesener, abschließbarer Raum mit einer bequemen Sitzmöglichkeit, einer Abstellfläche, einer Steckdose für die Milchpumpe sowie einer Kühlmöglichkeit und einem Waschbecken in der Nähe. Gerade in kleineren Betrieben ist dies oft schwer umzusetzen. Suchen Sie gemeinsam eine praktikable Lösung, etwa einen Büroraum mit abschließbarer Tür oder einen Bereich, der Privatsphäre sicherstellt. Eine Toilette ist nicht geeignet. Wenn es bei Ihrer Arbeit keine Stillgelegenheit gibt, können Sie eine nahegelegene Alternative aufsuchen. Ihre Wegezeit zählt zur Stillzeit dazu. Je nach Tätigkeit kann vielleicht zeitweise auch mehr Homeoffice eingeräumt werden.«
Dr. Monika Berns: »Stillen ist die natürliche Ernährung Ihres Kindes. Das Mutterschutzgesetz schützt es ausdrücklich und damit Ihre Gesundheit und die Ihres Kindes. Es ist Ihr gutes Recht, am Arbeitsplatz zu stillen oder Muttermilch abzupumpen und auch infolge dessen keine Nachteile zu erleiden. Ihre Vorgesetzten sind dazu verpflichtet, die Belegschaft über die gesetzlichen Regelungen und die Umsetzung in Ihrem Betrieb zu informieren, damit es nicht als persönliches ›Sonderrecht‹ verstanden wird. Im Gespräch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen können Sie darauf hinweisen, dass Sie so früher wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren, das Team entlasten und das Risiko für verschiedene Erkrankungen für sich und Ihr Kind reduzieren. Gelassenheit hilft: Sie müssen es nicht allen recht machen.«
Prof. Dr. Katja Nebe: »Sie melden dies der zuständigen Aufsichtsbehörde, falls diese nicht bereits über die Schwangerschaft informiert wurde. Sofern noch keine auf das Stillen bezogene Gefährdungsbeurteilung vorliegt, ist diese unverzüglich durchzuführen und gegebenenfalls Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die für die gesamte Stillphase gelten. Sie sind verpflichtet, Ihrer Mitarbeiterin ein Gespräch anzubieten, um ihr das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung mitzuteilen und eine einvernehmliche Regelung bezüglich der Arbeits und Stillzeiten zu finden. Die bezahlte Freistellung zum Stillen gilt bis zum ersten Geburtstag des Kindes. Die Mutter muss Ihnen mitteilen, wenn sie nicht mehr stillt. Informieren Sie regelmäßig Vorgesetzte und das Team über die Regelungen des Mutterschutzgesetzes und konkrete Schutzmaßnahmen – so können Fragen geklärt und die reibungslose Umsetzung gefördert werden.«
Prof. Dr. Katja Nebe: »Beschäftigungsverbote sind immer das letzte Mittel. Deshalb muss der Arbeitgeber vorrangig die Arbeitsbedingungen auf der Basis einer Gefährdungsbeurteilung umgestalten. Er ist verpflichtet, den Arbeitsplatz so einzurichten, dass die Beschäftigte während der gesamten Stillzeit ihre Arbeit erbringen kann, ohne sich oder ihr Kind zu gefährden. Dazu zählt zum Beispiel der Schutz vor Gefahrstoffen oder vor Stress, der sich nachteilig auf die Milchbildung auswirkt. Können die Arbeitsbedingungen nicht angepasst werden, muss ein anderer Arbeitsplatz gefunden werden. Im Regelfall lässt sich damit ein betriebliches Beschäftigungsverbot vermeiden.«
Jutta Hahne: »Informieren Sie regelmäßig Führungskräfte und Belegschaft über die gesetzlichen Regelungen für schwangere und stillende Mitarbeiterinnen und die Umsetzung in Ihrem Betrieb, damit diese nicht als ›Sonderrechte‹ Einzelner verstanden werden. So können Diskussionen vermieden werden. Vermitteln Sie, dass Sie als Betrieb im Wettbewerb um Fachkräfte mit Familienfreundlichkeit punkten. Stillen senkt das Risiko für verschiedene Erkrankungen bei Mutter und Kind. Zufriedene Mitarbeiterinnen mit gesunden Kindern und weniger Fehlzeiten sind für alle ein Gewinn. Auch die Belegschaft profitiert von früh zurückkehrenden Kolleginnen, die ihren Aufgaben wieder nachgehen und sich mit dem Betrieb identifizieren.«
Dr. Monika Berns: »Vermitteln Sie als Vorgesetzte, dass Sie das Stillen in Ihrem Betrieb unterstützen und es wertschätzen, dass Ihre Mitarbeiterin während der Stillzeit ins Unternehmen zurückkehrt. Diese Haltung stärkt sie auch im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen. Versuchen Sie, für die erste Phase Druck herauszunehmen, etwa mit einem Wiedereinstieg zur Wochenmitte, flexiblen Arbeitszeiten oder Homeoffice. Eine feste und kompetente Ansprechperson erleichtert der Mutter die vertrauensvolle Kommunikation, zum Beispiel bei der Vereinbarung von Stillzeiten oder bei beruflichen Außer Haus Terminen.« Tipps für Arbeitgeber hier …
Jutta Hahne: »Ob es das notwendige Einkommen ist, die Fortsetzung einer Ausbildung, partnerschaftliche Rollenteilung oder einfach nur, weil man Spaß am Job hat: Es gibt viele Gründe, nach der Geburt wieder schnell zur Arbeit zurückzukehren. Die Entscheidung dafür liegt einzig bei der #Mutter und ist von ihrem Umfeld zu respektieren. Das Mutterschutzgesetz ist insofern auch ein Gleichstellungsgesetz. Früh zurückkehrende Mütter übernehmen ihre Arbeit wieder und entlasten das Team. Sie freuen sich, wenn sie mit Wertschätzung aufgenommen werden und in der Belegschaft ein verständnisvoller Umgang miteinander herrscht.«
Servicetelefon des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) bei Fragen zum Mutterschutz +493020179130 (montags bis donnerstags, 9 bis 18 Uhr); E Mail info@bmfsfjservice.bund.de …
Jutta Hahne, Expertin zum Mutterschutz aus dem Servicetelefon des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ)
Prof. Dr. Katja Nebe, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Halle Wittenberg, Rechtsexpertin zum Mutterschutzgesetz, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen
Dr. Monika Berns, Charité – Universitätsmedizin #Berlin, Klinik für Neonatologie, Kinderärztin und Neonatologin, Leiterin der Frauenmilchbank der Charité, Mitglied der Nationalen Stillkommission