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Mittelalter #Events wie »Anno 1280« romantisieren patriarchale Gesellschaften
Gütersloh, 21. April 2024
Sie sind beim Volk beliebt: Mittelalterfeste. Das vermeintliche Leben im #Mittelalter als Volksfest. Die vor allem im Osten der Republik verbreiteten Events romantisieren freilich das Mittelalter, auch als »Dark Ages« bekannt, und die zu der Zeit herrschenden, patriarchalen Verhältnisse im #Feudalismus.
Hexenverfolgungen, Ritterinnen und der Adel
Frauen hatten im Mittelalter nichts zu melden, wovon nicht nur die Hexenverfolgungen, die in der Ersten Welt noch bis in die Moderne stattfanden, in manchen Gegenden der Welt sogar bis heute, ein Lied singen. »Ritterinnen« gab es nicht, und so sind die üblichen #Schwertschaukämpfe und das gängige #Tjosten bei Mittelalterfesten offensichtlich ein Ausdruck toxischer Männlichkeit. Das weibliche Geschlecht wird in der Regel auf Marktweiber oder Kunsthandwerkerinnen beschränkt. Im Adel spielten Frauen auch damals schon kaum eine Rolle. Sogar in den Demokratien der Neuzeit wurde das Wahlrecht für Frauen oft erst in der Postmoderne eingeführt und musste erkämpft werden.
Romantische Open Air Events
Mittelaltermärkte werden von den Besuchern als romantischer Open Air Event mit Jahrmarktcharakter wahrgenommen, während die Teilnehmer zum einen professionelle Schausteller, Gastronomen und Musiker sind, zum anderen sind es oft #Kunsthandwerker oder #Cosplayer, die bei Mittelalterfesten ein paar Tage ihrem Hobby frönen und teils ein paar Tage im »Heerlager« zelten, wobei eine gewisse #Lagerfeuerromantik eine nicht geringe Rolle spielt.
Adel, Klerus und Leibeigene
Der Adel und der Klerus hatten im Mittelalter das Sagen, das Volk hatte zu arbeiten, zu gehorchen und zu zahlen. Die heute beliebten, großen Gotteshäuser und Adelssitze aus dieser Zeit wurden mit Geld finanziert, das vor allem der Bevölkerung abgepresst wurde. Die medizinischen, kulturellen und gesellschaftlichen Verhältnisse sind mit heute nicht vergleichbar. Schon der Buchdruck mit beweglichen Lettern als größte kulturelle Errungenschaft der Menschheitsgeschichte wurde von Gutenberg erst im Spätmittelalter erfunden, gedruckt wurden damit zuvorderst Bibeln. #Kinderarbeit war an der Tagesordnung, Angestellte und Arbeiter gab es im heutigen Sinne nicht. Die Masse der Bevölkerung waren Leibeigene im Dienste ihrer Lehnherren. Sogar die Uhr wurde erst im Spätmittelalter erfunden. Die zweite große, kulturelle Errungenschaft der Menschheitsgeschichte, die – so der Medientheoretiker Neil Postman – Gott seiner Macht über die Ewigkeit beraubte. Der Mensch konnte nun die Zeit »messen«. Freilich gab es zunächst Kirchturmuhren, was wiederum den Klerus stärkte.
Kunst im Mittelalter
Das Mittelalter von etwa 500 bis 1500 war in kultureller Hinsicht durch eine Vielzahl künstlerischer Stile und Entwicklungen gekennzeichnet. Die Kunst des Mittelalters wird in verschiedene Perioden unterteilt, darunter das Frühmittelalter, Hochmittelalter und Spätmittelalter (auch bekannt als Gotik). Die Kunst dieser Zeit reflektierte oft religiöse und politische Machtstrukturen.
Die merowingische Kunst (um 500 bis 750) im Frankenreich zeigte eine Verbindung von germanischen und römischen Einflüssen. Die karolingische Kunst (750 bis 900) begann mit Karl dem Großen und seiner #Renaissance, die die #Antike wiederbelebte. Es folgte die Romanik (1000 bis 1250), gekennzeichnet durch massive Kirchenbauten und Rundbögen. Die Gotik (1130 bis 1500) brachte filigrane Spitzbögen und hohe Kathedralen hervor.
In England entwickelte sich der Early English Style (1180 bis 1250) und der Decorated Style (1250 bis 1340), bevor der Perpendicular Style (1340 bis 1520) aufkam. Bedeutende Künstler wie Giotto, Jan van Eyck und Rogier van der Weyden prägten die Kunstszene dieser Zeit.
Architektonische Meisterwerke wie der Kölner Dom, die Kathedrale #Notre #Dame in #Paris und der Veitsdom in Prag zeugen von der beeindruckenden Baukunst des Mittelalters. Die Kunst des Mittelalters beeinflusste später die Renaissance und hinterließ ein reiches Erbe in #Europa. Das allerdings nicht im heutigen Sinne. Freie Kunst gab es praktisch nicht; die meisten Werke waren Auftragswerke im Dienste der herrschenden Elite, sprich: des Adels und des Klerus.
Musik im Mittelalter
Die mittelalterliche #Musik, beginnend im 9. Jahrhundert und bis etwa 1430, lässt sich in 3 Hauptepochen gliedern: die Zeit des gregorianischen Gesangs bis 1100, die Entwicklung mehrstimmiger Musik im 12. und 13. Jahrhundert, und die Zeit von 1300 bis 1430 mit verschiedenen Stilrichtungen wie der Ars nova und dem Trecento. Diese Musik ist Teil der Alten Musik und wurde später von der Renaissance Musik abgelöst. Wichtig ist zu unterscheiden zwischen der historischen mittelalterlichen Musik und der heutigen Mittelalterszene, die oft nicht auf Authentizität Wert legt.
Im Frühmittelalter spielte der gregorianische Choral eine bedeutende Rolle in der liturgischen Musik. Die Musiknotierung entwickelte sich, und verschiedene theoretische Ansätze wie die von Hucbald von Saint Amand und Guido von Arezzo trugen zur Weiterentwicklung bei. Die Volksmusik entwickelte sich parallel, obwohl Quellen hierzu spärlich sind.
Die Zeit der Notre Dame Schule ab dem 12. Jahrhundert war geprägt von mehrstimmiger Komposition, insbesondere dem Organum, und der Entwicklung einer neuen Notationsmethode. Der Minnesang in Frankreich und Deutschland sowie die Tradition der Trouvères und Trobadors waren ebenfalls bedeutend.
Die Ars nova im 14. Jahrhundert brachte neue Kompositionsstile wie die Motette hervor, während das Trecento in Italien eine eigene Entwicklung durchlief. Studienmöglichkeiten zur mittelalterlichen Musik sind an verschiedenen Institutionen möglich, darunter die Schola Cantorum Basiliensis und die Folkwang Universität der Künste in Essen.